Standpunkt über Krähenschäden in der Landwirtschaft

Standpunkt der Schweizerischen Vogelwarte Sempach
  • Rabenkrähen, Nebelkrähen sowie lokal auch Saatkrähen können unter bestimmten Bedingungen Schäden in landwirtschaftlichen Kulturen verursachen.
  • Während der Brutzeit werden bei Rabenkrähe und Nebelkrähe brütende und nicht brütende Individuen unterschieden. Die Nichtbrüter sind nicht an Brutreviere gebunden und schliessen sich zu Schwärmen zusammen. Der Hauptteil der Schäden in landwirtschaftlichen Kulturen wird von Nichtbrüterschwärmen verursacht.
  • Die Zahl brütender Rabenkrähen und Nebelkrähen in der Schweiz zeigt steigende Tendenz. Vermutlich haben sich die bestandsbestimmende Nahrungsgrundlage und das Angebot an Nistmöglichkeiten verbessert. Über die Zahl der nichtbrütenden Rabenkrähen und Nebelkrähen bestehen keine Angaben.
  • Schäden können am effizientesten durch anbautechnische Massnahmen und durch Vertreiben während der schadenanfälligen Phase der Kulturen verhindert oder zumindest gemindert werden. Massnahmen zur Schadensverhütung oder Schadensminimierung müssen daher Bestandteil der Anbauplanung sein.
  • Den Einsatz von Gift, Betäubungsmitteln und hormonaktiven Substanzen zur Reduktion von Raben-, Nebel und Saatkrähen lehnt die Schweizerische Vogelwarte ab, da derart angewandte Chemikalien unkontrollierbare Auswirkungen haben und unerwünschte Nebenwirkungen zeigen.
  • Bestandsregulierende Massnahmen sind nicht sinnvoll, da der Krähenbestand – wenn überhaupt – langfristig nur mit riesigem Aufwand tief gehalten werden kann.
  • Zur Höhe und Entwicklung von durch Rabenvögel verursachten Schäden bestehen keine Übersichtszahlen. Dies erschwert die sachliche Diskussion über die Bewertung des Ertragsausfalls und den Erfolg getroffener Massnahmen.
  • Massnahmen sind dann als erfolgreich zu bezeichnen, wenn die durch Krähen verursachten Schäden in der Landwirtschaft reduziert werden konnten. Die Zahl der festgestellten oder eliminierten Krähen ist kein geeignetes Mass für einen Wirkungsnachweis.

Ausgangslage

Durch Rabenvögel verursachte Schäden in der Landwirtschaft sind eine bekannte Erscheinung. Die Schäden an landwirtschaftlichen Kulturen werden in erster Linie durch Rabenkrähen verursacht, in einzelnen Regionen auch durch Saatkrähen und im Tessin durch Nebelkrähen. Bei Raben- und Nebelkrähe sind Schäden hauptsächlich auf Nichtbrüterschwärme und nicht auf Brutvögel zurückzuführen. Am häufigsten werden Schäden an Maiskulturen verzeichnet, es können aber auch andere landwirtschaftliche Kulturen wie Getreide, Sonnenblumen, Salat oder Kartoffeln betroffen sein. Der Schaden setzt sich aus dem Ertragsausfall und den Mehrkosten für den Anbau, z.B. für eine Neuansaat, zusammen. Zur Beurteilung der Schadenshöhe müssen Ertragsausfall und Gesamtkosten für den Anbau im Verhältnis zum Gesamtertrag betrachtet werden. Zurzeit bestehen aber keine Übersichten, weder zur Höhe noch zur Entwicklung der von Raben-, Nebel- und Saatkrähe verursachten Schäden in der Landwirtschaft. Dieser Umstand erschwert die sachliche Diskussion über die Bewertung des wirtschaftlichen Schadens und über die Erfolgskontrolle.

Bestandsentwicklung von Raben-, Nebel- und Saatkrähe

Der Brutbestand der Rabenkrähe hat in den letzten Jahren zugenommen (Schmid et al. 2001). Über Nichtbrüter, die in erster Linie die Schäden verursachen, bestehen jedoch keine Angaben. Der Nichtbrüterbestand wird auf etwa 40 % des Brutbestands geschätzt (Winkler 1999). Auch bei der Nebelkrähe kann von einer steigenden Tendenz der Brutpaarzahlen ausgegangen werden (Schmid et al. 2001). Im Verlauf der 1990er-Jahre haben sowohl die Brutpopulation der Saatkrähen als auch die Zahl der Brutkolonien zugenommen. Der Brutbestand der Saatkrähe ist mit rund 3900 Brutpaaren immer noch relativ klein. Durch Saatkrähen verursachte Schäden sind auf einzelne Regionen beschränkt.

Massnahmen zur Verhütung von Krähenschäden

Zur Zeit werden drei Möglichkeiten zur Schadensvermeidung und Schadensminderung diskutiert:

  • Anbautechnische Massnahmen
  • Vertreibungsmassnahmen
  • Reduktion der Krähenbestände

Die Schweizerische Vogelwarte befürwortet anbautechnische Massnahmen und Vertreibungsmassnahmen, warnt aber vor der Illusion, dass Krähenbestände mit vertretbarem Aufwand reduziert werden können. Weitere Informationen sind dem Merkblatt «Rabenvögel in landwirtschaftlichen Kulturen» (Bollmann 2004) zu entnehmen (Bezug Schweizerische Vogelwarte). Den Einsatz von hormonaktiven Substanzen, Giften und Betäubungsmitteln lehnt die Schweizerische Vogelwarte ab.

Anbautechnische Massnahmen

  • Die Schweizerische Vogelwarte empfiehlt die konsequente Berücksichtigung anbautechnischer Möglichkeiten.

Die Wirkung anbautechnischer Massnahmen wurde bisher unterschätzt. Zusammen mit Vertreibungsmassnahmen sind sie der effizienteste Weg, um Schäden zu minimieren. Insbesondere im Maisanbau sind der Aussaatzeitpunkt, eine exakte Einsaat und eine Pause zwischen Vorbereitungsarbeiten und Einsaat wichtig: Bei ungünstiger Witterung dauert es lange, bis die Schösslinge die kritische Wuchshöhe von 10–15 cm erreichen, ab der sie nicht mehr gefressen oder ausgerupft werden. Durch einen gut gewählten Aussaatzeitpunkt wird erreicht, dass die gefährdete Kultur möglichst wenig Zeit zum Keimen und Auflaufen benötigt. Nach der Einsaat sollten möglichst wenig Körner auf der Oberfläche liegen, um die Krähen nicht auf die Nahrung aufmerksam zu machen. Das erhöhte Nahrungsangebot durch Bodenorganismen, die durch Pflügen und Eggen freigelegt werden, lockt Krähen an. Darum sollte zwischen Bodenbearbeitung und Aussaat ein Zeitraum von mindestens 1–2 Tagen liegen.

Vertreibungsmassnahmen

  • Die Schweizerische Vogelwarte empfiehlt den kombinierten Einsatz von Vertreibungsmassnahmen.

Zusammen mit anbautechnischen Massnahmen tragen Vertreibungsmassnahmen während der begrenzten schadenanfälligen Phasen der Kulturen am meisten zur Minderung von Schäden bei. Abwehrmassnahmen müssen nur während der heiklen Wachstumsphasen der Kulturen getroffen werden. Es stehen mehrere Möglichkeiten zur Verfügung. Vertreibungsmassnahmen nach der Saat sind: Grosse Gasballone an 20 m langen Leinen in einer Dichte von 3 Ballonen/ha, farbige Plastikbänder, die in etwa 1 m Höhe im Abstand von 2 m voneinander quer oder im Zickzack über die Felder gespannt werden sowie Knallapparate oder Apparate, bei denen akustische und optische Reize kombiniert werden. Da sich Rabenvögel sehr rasch an Vertreibungsmassnahmen gewöhnen, sind die Massnahmen in ihrer Wirkung zeitlich begrenzt. Ein Abwechseln und Kombinieren der Methoden ist das beste Mittel, um diesem Gewöhnungseffekt entgegenzuwirken. Der unter Umständen beträchtliche zeitliche und finanzielle Aufwand dieser Massnahmen muss im Verhältnis zum Gesamtertrag beurteilt werden.

Reduktion der Krähenbestände

Gemäss der eidgenössischen Gesetzgebung (Bundesgesetz über die Jagd und den Schutz wildlebender Säugetiere und Vögel [Jagdgesetz JSG; Stand 2008] und Verordnung über die Jagd und den Schutz wildlebender Säugetiere und Vögel [Jagdverordnung JSV; Stand 2012]) sind Saat-, Raben- und Nebelkrähe vom 1.8. bis 15.2. jagdbar. Die Kantone bestimmen, ob Selbsthilfemassnahmen ergriffen werden dürfen und bezeichnen die zulässigen Hilfsmittel (JSG). Ebenso können sie die Schonzeiten verlängern oder die Liste der jagdbaren Arten einschränken (JSG).

Bei den jagdbaren Arten Raben-, Nebel- und Saatkrähe kann der Abschuss einzelner Individuen aus einem Schwarm Artgenossen kurzfristig von Kulturen fernhalten. Versuche zur grossräumigen Reduktion von Beständen dagegen sind keine zielführende Massnahme. Eine künstlich erhöhte Sterblichkeit wird entsprechend der Lebensraumkapazität, insbesondere der bestandsbestimmenden Faktoren Nahrungsgrundlage und Nistmöglichkeiten, wieder ausgeglichen. Die Bekämpfung der Brutpopulation der Nebelkrähe in Norditalien, wie sie wegen Landwirtschaftsschäden durchgeführt wurde, hat zu keiner Veränderung des Bestands geführt (Schmid et al. 1998). Um die Bestände langfristig zu senken, müsste anhaltend und grossräumig massiv eingegriffen werden, was weder ökologisch vertretbar noch ökonomisch verhältnismässig ist.

  • Abschüsse mit dem Ziel, Bestände niedrig zu halten, lehnt die Schweizerische Vogelwarte als nicht zielführend ab. Einzelabschüsse können hingegen Bestandteil von Abwehrmassnahmen sein.

Zur kurzfristigen Abwehr eines Krähenschwarms von einem Feld kann der Einzelabschuss wirksam sein. Die Bejagung von Krähen ist bekanntlich schwierig. Allerdings kann schon die Detonation allein einen Schwarm vertreiben. Im bejagten Gebiet verlassen die Vögel in der Folge das Feld häufig schon beim Auftauchen des Bewaffneten, ohne dass geschossen werden muss.

  • Die Schweizerische Vogelwarte lehnt den Einsatz von Kastenfallen zum Fang von Raben-, Nebel- und Saatkrähen wegen unerwünschten Folgen bei geschützten Vogelarten ab.

Selbstfangfallen sind nicht selektiv. Es besteht die Gefahr, dass nicht nur Raben-, Nebel- oder Saatkrähen, sondern auch geschützte Arten, Greifvögel und Eulen (Dick 2005) gefangen werden. Für alle gefangenen Tiere besteht eine beträchtliche Stresssituation.

  • Die Schweizerische Vogelwarte lehnt den Einsatz von hormonaktiven, die Fortpflanzung beeinträchtigenden Substanzen in freier Natur grundsätzlich ab.

Das Freisetzen von hormonaktiven Substanzen in die Natur ist mit einem hohen Risiko verbunden. Erfahrungen an Strassentauben haben gezeigt, dass es nicht möglich ist, hormonaktive Substanzen selektiv in den nötigen exakten Dosen zu verabreichen. Bis heute ist kein Beispiel bekannt, bei dem eine grössere Taubenpopulation allein durch die Beeinflussung der Fortpflanzungsbiologie nachhaltig reduziert werden konnte (Haag-Wackernagel 2003).

  • Die Schweizerische Vogelwarte lehnt den Einsatz von Gift- und Betäubungsstoffen wie α-Chloralose in freier Natur grundsätzlich ab.

Das Freisetzen von Gift und Betäubungsmitteln in die Natur ist mit Risiken verbunden. Auch bei sehr sorgfältiger Durchführung bleibt ein Restrisiko bestehen, dass das Gift in den Nahrungskreislauf gelangt. Bussarde, Milane, Füchse, Hunde, Katzen und Kleinsäuger können in Mitleidenschaft gezogen werden, sei dies direkt über die mit dem Mittel behandelten Köder oder über kontaminierte Vögel, die erst später sterben.

Schadensmonitoring, Erfolgskontrolle

Ein Erfolg ist dann erreicht, wenn die durch Krähen verursachten Schäden in der Landwirtschaft vermindert werden können. Die Anzahl getöteter Tiere ist hingegen kein geeigneter Indikator für den Erfolg der eingesetzten Mittel. Die Erfolgskontrolle muss dementsprechend bei den landwirtschaftlichen Kulturen ansetzen und sollte folgende Parameter umfassen: betroffene Fläche, ergriffene Massnahmen, Ertragsausfall (Schadensausmass zum Ausgangszeitpunkt oder Schadenshöhe nach dem Einsatz von Massnahmen) im Verhältnis zum Ertrag, Zusatzkosten (z.B. für Massnahmen oder Mehrkosten beim Anbau, z.B. durch Nachsaat).

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