© Beat Rüegger
Rebhuhn: eine weitere Kulturlandart verschwunden
2019 wird wohl leider als das Jahr des Verschwindens des Rebhuhns in die ornithologische Geschichte der Schweiz eingehen. Während 2018 im Kanton Genf noch zwei Brutpaare gefunden worden waren, kam es 2019 nicht einmal mehr zu Beobachtungen von Wildvögeln. Dies markiert einen traurigen Tiefpunkt für diesen ehemaligen Allerweltsvogel des Landwirtschaftsgebiets. Mit einem Wiederauftreten der Art ist kaum zu rechnen.
Noch Mitte des 20. Jahrhunderts schätzte man den Bestand des Rebhuhns in den Schweizer Ackerbaugebieten auf rund 10 000 Individuen. Wie gross muss die Population wohl in noch früheren Jahren gewesen sein, als z.B. um 1900 in Graubünden Brutpaare bis auf 1300 m ü.M. gefunden wurden? In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts brach der Bestand dann rasch zusammen. 1991 beauftragte das Bundesamt für Umwelt (BAFU) die Vogelwarte mit einem Förderungsprojekt für das Rebhuhn. Zuerst mussten die Lebensräume wieder hergestellt werden. In enger Zusammenarbeit mit Landwirten und Behörden wurde dies im Klettgau SH und in der Champagne genevoise umgesetzt. Mit Buntbrachen, Niederhecken und extensiven Wiesen wurden Flächen ökologisch aufgewertet. Ab 1998 wurden im Klettgau die ersten Rebhühner wiederangesiedelt. Von 2002 bis 2004 konnte auf diese Weise ein Bestand von 15–20 Paaren erreicht werden. Nach einem v.a. witterungsbedingten Zusammenbruch der Population wurden die Aussetzungen im Klettgau 2008 eingestellt. 2016 gelangen dort die letzten Beobachtungen.
Eine Symbolart verschwindet
Modellberechnungen hatten ergeben, dass die kurzlebige Art mit grösseren Aussetzungszahlen gestützt werden muss. So wurden jeweils im Herbst von 2008 bis 2012 in der Champagne genevoise durchschnittlich 500 Rebhühner freigelassen. Folgerichtig nahm der Brutbestand auf bis 60 Paare 2012 zu. Doch er konnte sich in der Folge nicht selbstständig halten. Als Gründe für diesen Misserfolg werden Kleinräumigkeit der Projektgebiete («nur» mehrere Quadratkilometer) und die hohe Prädatorendichte vermutet. Als kurzlebige Art braucht das Rebhuhn geeignete Lebensräume in einem noch weit grösseren Einzugsgebiet als dem Perimeter der Projektgebiete. Immerhin haben von den Aufwertungen andere Arten wie Feldlerche, Dorngrasmücke und Grauammer stark profitiert.
In schlechter Gesellschaft
Mit seinem Verschwinden gesellt sich das Rebhuhn zu einer Reihe von Landwirtschaftsarten, die in der Schweiz kein Auskommen mehr finden können. Schwarzstirnwürger, Haubenlerche, Raubwürger, Rotkopfwürger, Ortolan und nun eben Rebhuhn sind betrübliche Zeugen für die Verarmung des Kulturlands und des Nahrungsangebots. Unsere gesellschaftlichen Anstrengungen müssen sich vervielfachen, wenn wir weitere Landwirtschaftsarten wie Grauammer, Braunkehlchen, Kiebitz & Co. in der Schweiz halten wollen.
Ein Blick über die Grenzen lässt für das Rebhuhn das Schlimmste befürchten. In Deutschland ging sein Bestand von 1992 bis 2016 um 90 % zurück. Auch europaweit sind die Bestände zusammengebrochen.
Situation der Brutvögel 2019
2019 war insgesamt das fünftwärmste Jahr seit Messbeginn 1864. Im Flachland war der Winter durchschnittlich, im Tessin viel zu warm. Die Berglagen oberhalb von 1000 m registrierten den kältesten Januar seit mehr als 30 Jahren. Insbesondere die Ostalpen verzeichneten sehr viel Schnee. Im April fielen nochmals Rekordschneemengen. Ein ungewöhnlich kühler Mai konservierte die alpine Schneedecke auf hochwinterlichem Niveau. Die späte Ausaperung in den Alpen führte 2019 nach 2018 zu einem erneuten Rückgang von vielen Alpenvogelarten.
Auch im Flachland und Jura war der Mai aussergewöhnlich nass und kühl, was das Kartieren für viele freiwillige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter neben ihrer regulären Arbeit zu einer logistischen Herausforderung werden liess. Der Sommer ging als drittwärmster Sommer in die Annalen ein. Das bedeutete, dass viele Brutvögel insbesondere wegen dem nasskalten Mai mit schwierigen Aufzuchtbedingungen zu kämpfen hatten. Die Spätbrüter profitierten hingegen wie schon 2018 vom warmen und trockenen Wetter.