© Thomas Sattler
Corona beeinflusst Menschen und Vogeldaten
Der Rückblick auf das Jahr 2020 wird auch aus ornithologischer Perspektive durch die Corona-Pandemie geprägt. Während des Lockdowns im Frühjahr war die Bevölkerung angehalten, möglichst zuhause zu bleiben. Deshalb wurde ab dem 19. März die Aktion #stayhomeandwatchout lanciert, mit welcher das Beobachten im eigenen Garten oder vom Balkon aus propagiert wurde. Über 300 Teilnehmende meldeten knapp 31 000 Beobachtungen. Während die drei am meisten gemeldeten Arten kaum überraschen (Amsel, Kohlmeise, Haussperling), können gewisse Gartenlisten mit Arten wie Nachtreiher, Stein- und Sperlingskauz, Gänsegeier und Blaumerle auftrumpfen. Gewisse Vogelbeobachterinnen und -beobachter wohnen wohl an beneidenswerten Orten und/oder hatten grosses Beobachterglück!
Rekordhohe Anzahl Meldungen
Aufgrund der generellen Reiseeinschränkungen besuchten viele Melderinnen und Melder vermehrt heimische Gefilde, besonders auch die Alpen. Der warme Sommer unterstützte diesen Trend zusätzlich. So wurden auf ornitho.ch aus Höhen über 1500 m fast ein Drittel mehr Meldungen registriert als im Vorjahr. Die Gesamtzahl an Meldungen kletterte auf 2,5 Mio., womit das vorangegangene Spitzenjahr nochmals um 13 % übertroffen wurde.
Wir werden das Jahr 2020 als ein sehr einschneidendes Jahr in Erinnerung behalten. Aus Vogelperspektive sind wohl vor allem zwei Aspekte herauszustreichen: (1) ein extrem milder Winter und (2) (coronabedingt) ein markant verstärktes Ausschwärmen der Bevölkerung in die Natur, insbesondere an Seen und Flüsse im Mittelland.
Milder Winter und optimale Brutbedingungen
Die Schweiz verzeichnete den mildesten Winter seit Messbeginn 1864. Die Wintertemperatur 2019/20 lag 3 °C über der Norm 1981–2010. Dies war wohl der Grund dafür, dass viele Standvögel und Kurzstreckenzieher 2020 sehr hohe Brutbestände erreichten.
Nach einem rekordwarmen Winter folgte der drittwärmste Frühling mit einer anhaltenden Trockenperiode. Der Sommer war sehr warm, aber ohne ausgesprochene Hitzewellen wie in den Vorjahren. Vielen Arten schienen diese Bedingungen zu passen. Die Langstreckenzieher verzeichneten einen durchschnittlichen Anstieg der Brutbestandsindizes um einen Rekordwert von +15 %. Somit kletterte auch der Gesamtindex des Swiss Bird Index SBI® auf einen neuen Höchststand.
Auswirkungen von Corona auf Feuchtgebiete
Viele andere Freizeitvergnügen waren durch die Pandemie verunmöglicht, sodass die Schweizer Bevölkerung im schönen Frühling und Sommer in die Natur strömte. Waren Schweizer Seen und Flüsse schon in der Vergangenheit gut besucht, erlebten sie während des Lockdowns 2020 einen regelrechten Boom, der auch vor Schutzgebieten nicht Halt machte. Die Ranger auf der St. Petersinsel am Bielersee erfassten im Sommerhalbjahr rund 55 Besucherinnen und Besucher pro Stunde, was ungefähr 150 % des Vorjahrs entspricht. Leider kam es als Folge dieses Besucheraufkommens auch zu mehr Verstössen gegen die Schutzregeln. Am Südufer des Neuenburgersees wurden mindestens doppelt so viele Verstösse wie im Vorjahr registriert. Dort haben drei Purpurreiherpaare ihre Bruten wahrscheinlich wegen Störungen aufgegeben.