© Marcel Burkhardt
Düstere Aussichten trotz Anpassungsfähigkeit
Die Zerstörung der natürlichen Fliessgewässer in der Schweiz bereitet auch dem stark gefährdeten Flussregenpfeifer Probleme. Massnahmen zur Besucherlenkung und grossflächige Fliessgewässerrevitalisierungen bringen neue Hoffnung für unsere kleinste Limikolenart.
Nach der Rückkehr aus seinem westafrikanischen Winterquartier in die Schweiz besiedelt der Flussregenpfeifer bevorzugt die Kiesinseln und flachen Ufer nicht verbauter Flüsse, die durch die natürliche Dynamik des Flusses ständig umgelagert werden. An die Veränderungen in seinem Lebensraum hat sich der Flussregenpfeifer ausgezeichnet angepasst. Diese Anpassungsfähigkeit kommt ihm heute zugute. Einerseits kann er vom Menschen geschaffene vegetationsfreie Kiesflächen oder kaum bewachsene Rohböden in Wassernähe zumindest kurzzeitig als Ersatzlebensräume besiedeln. So brütet gegenwärtig mehr als ein Drittel des Schweizer Bestands in Kiesgruben und auf Grossbaustellen. Andererseits kann der Flussregenpfeifer als anpassungsfähige Pionierart schnell auf Schutzmassnahmen reagieren. Dennoch sind die Aussichten für den Flussregenpfeifer düster. Seit mehr als 200 Jahren sind natürliche Fliessgewässer in der Schweiz massiv unter Druck. Viele Tier- und Pflanzenarten dieser Lebensräume sind selten geworden oder gar ausgestorben. In unserer Vogelwelt haben darunter besonders Flussregenpfeifer und Flussuferläufer gelitten. Beide sind Kiesbrüter und in der Schweiz stark gefährdet, wobei der Bestand des Flussregenpfeifers zwischen 90 und 120 Brutpaaren beträgt. Bemerkenswert ist, dass bei uns noch gut die Hälfte der Flussregenpfeifer an Flüssen lebt, obwohl heute 90% der Auenflächen verschwunden oder stark beeinträchtigt sind. Der hohe Erholungsdruck entlang der Gewässer und die damit verbundenen menschlichen Störungen sind zudem eine grosse und wachsende Herausforderung für den Schutz des Flussregenpfeifers und weiterer Gewässerarten.
Menschliche Störungen Herausforderung für Schutzbemühungen
Eine von der Vogelwarte und Bird Life Schweiz durchgeführte Studie hat das bestehende Wissen zu den Auswirkungen menschlicher Störungen und Besucherlenkungsmassnahmen auf Flussregenpfeifer und Flussuferläufer zusammengetragen. Menschliche Störungen können einerseits eine Ansiedlung beider Kiesbrüterarten verhindern. Andererseits können sie direkt (z.B. Zertrampeln) oder indirekt (z.B. Erregen der Aufmerksamkeit von natürlichen Prädatoren) zu Verlusten von Gelegen und Jungvögeln führen. Störungen von Landseite, beispielsweise durch Spaziergänger mit Hunden, haben einen grösseren Einfluss als Störungen von Wasserseite wie etwa durch vorbeifahrende Boote. Legen die Boote jedoch an den attraktiven Kiesinseln an und werden die Kiesinseln betreten, sind die Störungen massiv. Massnahmen zum Schutz beider Arten beinhalten deshalb eine konsequente Besucherlenkung, unterscheiden zwischen Schutz- und Erholungszonen und setzen Betretverbote von Schutzzonen konsequent durch. Für einen effektiven Schutz ist eine Kombination von verschiedenen Massnahmen nötig. Diese umfassen Information und Sensibilisierung, Gebote und Verbote, physische Besucherlenkung, personelle Präsenz vor Ort sowie Sanktionierung bei Übertretung und müssen gut geplant und frühzeitig in Schutzkonzepten verankert werden. Fliessgewässerrevitalisierungen, die dem Flussregenpfeifer und weiteren Zielarten zugutekommen sollen, benötigen bereits im Planungsprozess ein durchdachtes Besucherlenkungskonzept, das bestmöglich mit allen übrigen Massnahmen abgestimmt ist. Nur so können potenzielle Konflikte bereits im Voraus entschärft oder vollständig vermieden werden. Wird eine Besucherlenkung nicht rechtzeitig etabliert, ist der nachträgliche Aufwand zum Schutz störungsempfindlicher Arten sehr hoch.
An der renaturierten Thur bei Altikon ZH und Neunforn TG werden die Brutplätze des Flussregenpfeifers seit 2003 mit Bändern abgesperrt. Bei den geeignetsten Flächen wird der Zugang seit einigen Jahren bereits ab März grossräumig verhindert. So werden Störungen durch Erholungssuchende verringert, damit der Flussregenpfeifer erfolgreich brüten kann. Zahlreiche Informationstafeln und vor allem die rege Präsenz von unermüdlichen Freiwilligen des lokalen Naturund Vogelschutzvereins, welche die Besucher informieren und die Verhaltensregeln erklären, sind für den Erfolg unerlässlich. Längerfristig benötigt dieses Gebiet mit bis zu acht Brutpaaren aber unbedingt ein kantonsübergreifendes Besucherlenkungskonzept, das ohne Freiwillige funktioniert.
Flussrevitalisierungen bieten eine Chance
Weil die meisten Fliessgewässer in der Schweiz verbaut, korrigiert oder eingedolt sind, sollen bis 2090 wegen des revidierten Gewässerschutzgesetzes 4000 km Fliessgewässer revitalisiert werden. Neben der Wiederherstellung der Gewässerlebensräume und der natürlichen Funktionen der Fliessgewässer wird auch eine Verbesserung des Hochwasserschutzes und der Grundwasserqualität beabsichtigt sowie Naherholungsraum geschaffen. Die grössten Herausforderungen für Flussrevitalisierungen sind der begrenzt zur Verfügung stehende Raum, die fehlende natürliche Dynamik der heutigen Fliessgewässer sowie der hohe Erholungsdruck entlang der Gewässer und die damit verbundenen menschlichen Störungen. Das Programm Artenförderung Vögel Schweiz soll deshalb die Kantone, die für die Umsetzung der Fliessgewässerrevitalisierungen verantwortlich sind, gerade bei der Wiederherstellung von Gewässerlebensräumen unterstützen. Ein Weg ist, die umsetzenden Praktiker über die ökologischen Ansprüche von Zielarten wie dem Flussregenpfeifer zu informieren. Nur wenn diese Informationen frühzeitig in die Planung miteinbezogen und entsprechende Massnahmen umgesetzt werden, können diese Arten von Flussrevitalisierungen profitieren.
Bis jetzt war beispielsweise jedoch unklar, wie viel Raum und welche Lebensraumeigenschaften der Flussregenpfeifer braucht, damit er ein Gebiet besiedelt. Darum wurden an der Vogelwarte Daten ausgewertet, die zwischen 2009 und 2014 entlang des Flusses Drau in Slowenien erhoben wurden. In diesen mehrheitlich natürlichen, aber auch von der Wasserwirtschaft und menschlichen Erholungsaktivitäten beeinflussten Flusslebensräumen brüten bis 70 Paare des Flussregenpfeifers. Ob der Flussregenpfeifer vorkommt oder nicht, hängt stark von der Grösse des geeigneten Lebensraums und besonders der vegetationslosen Kiesfläche ab. Stehen dem Flussregenpfeifer mindestens 2 ha ungestörter Lebensraum und davon mindestens 0,5 ha vegetationslose Kiesflächen zur Verfügung, besteht eine Wahrscheinlichkeit von über 90 %, dass er dieses Gebiet besiedelt. Solche Erkenntnisse helfen für die Umsetzung in der Praxis und sollen im Rahmen von Erfolgskontrollen geprüft und vertieft werden.
Bei der Umsetzung von Revitalisierungsprojekten lohnt sich ein frühzeitiger Einbezug von Expertenwissen, insbesondere bei Massnahmen zugunsten bestimmter Arten sowie der Besucherlenkung. In der 2015 fertiggestellten Aue Chly Rhy in Rietheim AG wurden zusätzlich zu einem Nebenarm des Rheins weitere typische Auenlebensräume wiederhergestellt. Dazu gehört eine knapp hektargrosse Ruderalfläche mit rohen Kies- und Sandböden, die wegen der fehlenden natürlichen Dynamik periodisch gepflegt wird. Durch einen Wassergraben ist sie vom Weg getrennt, den viele Erholungssuchende begehen. Ein Aufsichtsdienst informiert über die Naturwerte, vermittelt die Verhaltensregeln im Gebiet und trägt so zu einem positiven Naturerlebnis bei. Der Flussregenpfeifer hat nicht lange auf sich warten lassen: Seit 2016 hat er jährlich im Gebiet gebrütet.
Matthias Vögeli
Martin Schuck, André Ducry, Reto Spaar, Hans Schmid, Matthias Vögeli & Raffael Ayé (2020): Auswirkungen von Störungen und Besucherlenkung auf die Kiesbrüter Flussregenpfeifer Charadrius dubius und Flussuferläufer Actitis hypoleucos. Ornithologischer Beobachter, Juni 2020.
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