© Marcel Burkhardt
Mit Wachsamkeit zum Erfolg für den Alpensegler
Nirgendwo sonst in Mitteleuropa nisten so viele Alpensegler an Gebäuden wie in der Schweiz. Von den über 2000 Paaren brüten heute mehr als 80 % an Hoch- und Tiefbauten. Dies bringt gewisse Vorteile beim Schutz des Alpenseglers mit sich, aber auch Herausforderungen.
Für nur ganz wenige Wildvogelarten sind über eine so lange Zeit ein Interesse und eine aktive Förderung bekannt wie bei den Seglern. Besonders aus Italien sind Türme bekannt, die vor Jahrhunderten absichtlich mit vielen Bruthöhlen bestückt wurden, um junge Segler zu «ernten», also zu essen. Auch in der Schweiz schätzte man die fetten jungen Alpensegler. So ist verbürgt, dass es am Berner Münster schon um 1768/69 eine grosse Kolonie gab, ferner eine am Christoffelturm. Und der Chronist wusste zu berichten, dass die Jungen «ein niedliches Essen» wären. Seither hat sich die Einstellung der Stadtbewohner gegenüber den Seglern glücklicherweise geändert! Aber wie schon zu Ende des 19. Jahrhunderts, als die Alpensegler in Bern wegen Abbruchs des Christoffelturms und wegen Bauarbeiten am Münster weichen mussten, sind die Vögel auch heute stark den menschlichen Tätigkeiten ausgeliefert. Stete Wachsamkeit tut deshalb Not.
Zurzeit nisten Alpensegler in rund 70 Ortschaften der Schweiz. Chiasso, Bern, Freiburg, Luzern und Zürich beherbergen die grössten Kolonien. Alpensegler wählen oft dominante, exponierte Bauten wie Kirchen, Burgen, Schulhäuser, Spitäler, Hochhäuser und Brücken als Brutorte. Nicht selten sind es historische Bauten, welche die Vögel besonders anziehen. Hat sich ein Paar einmal an einem Brutplatz eingerichtet, bleibt es diesem meist treu. Es ist diese ausgeprägte Brutortstreue, welche Förderungsmassnahmen für diese Art zu einer speziellen Herausforderung machen.
So ist es schwierig, Alpensegler auf neue Brutmöglichkeiten aufmerksam zu machen und sie zu einem Umzug zu bewegen. Das wäre oftmals nötig, denn es kommt immer wieder vor, dass Bauten renoviert und verändert werden, die Nistplätze beherbergen. Und nicht überall lassen sich die Brutplätze erhalten. Andernorts kann es Konflikte mit den Hausbewohnern geben, etwa wenn Einflüge direkt über einem Eingang liegen und dann und wann etwas Kot runterfällt. Oft liesse sich in der Nähe eine Ersatzniststelle einrichten, doch längst nicht immer nehmen die Vögel eine solche an. Und anders als Mauersegler reagiert der Alpensegler kaum auf die arteigene Stimme, die man ihm aus den Kästen abspielt. Das beinhaltet für die Seglerschützerinnen und -schützer ein erhebliches Frustrationspotenzial und erfordert viel Geduld. Noch schwieriger ist es, wenn ein bisheriger Brutplatz abgerissen wird. Das ist momentan beispielsweise beim Kantonsspital Frauenfeld der Fall und wird nächstes Jahr auch die wichtigste Brutkolonie im elsässischen Mulhouse betreffen. Bei ersterem wusste der Natur- und Vogelschutzverein Frauenfeld bereits seit 2012 vom geplanten Neu- und Rückbau. Erfreulicherweise zeigten sich Bauherren und Architekten von Beginn weg sehr offen, den Alpenseglern neue Unterschlupfmöglichkeiten anzubieten. Beraten durch die Vogelwarte wurden schon 2013 auf einem Nachbargebäude Ersatznistkästen montiert. Doch es dauerte bis zum Frühjahr 2020, bis es erstmals zu Anflügen durch die Alpensegler kam. Auf dem mittlerweile hochgezogenen Spitalneubau sind am Dachrand ebenfalls Kästen montiert worden. Das ist architektonisch eine Herausforderung, da der Bau nicht mehr vergleichbar ist mit dem früheren Bettenhaus. Gleichzeitig erfordert es von den Seglern eine Umgewöhnung, da sie am Neubau keine Storenkästen mehr vorfinden. Ist das Bettenhaus 2021 abgerissen, wird sich zeigen, ob sich die Bemühungen gelohnt haben und die Segler Frauenfeld treu bleiben werden.
Ein schwieriges Pflaster für Alpensegler was bislang Olten. 1978 waren zwei Brutpaare bekannt, doch danach erlosch der Brutplatz offenbar. Ansiedlungsversuche am Stadthaus um 1990 scheiterten. Erst 2013 wurde in der Stadt wieder ein Brutpaar entdeckt. Seither ist der Bestand bemerkenswert rasch auf rund 10 Paare gestiegen. Mit einer grossen Nistkastenaktion hat der Ornithologische Verein Olten (OVO) zusammen mit der Firma ALPIQ im Frühjahr 2020 versucht, die Brutplatzsituation entscheidend zu verbessern. Da bereits im Mai Einflüge in die neuen Kästen verzeichnet wurden, besteht berechtigte Hoffnung, dass der Alpensegler nun in der Stadt an der Aare zu einem ständigen Brutvogel wird.
An vielen Orten erfordern die Alpensegler einen steten Betreuungsaufwand, für Kontrollen und Reinigung der Nisthilfen, für Aufklärung der Hausbesitzer und der örtlichen Bevölkerung. Dazu kommen öfters kurzfristig notwendige Einsätze und Rettungsmassnahmen, wenn ein Vogel verunfallt, wenn Junge aus dem Nest fallen oder wenn eine Renovation zu Unzeiten droht. Nur dank dem steten Engagement vieler Vogelfreunde und zahlreicher Natur- und Vogelschutzvereine konnten sich die Bestände über die letzten Jahrzehnte positiv entwickeln und sind heute weniger Aufgaben von Brutplätzen zu beklagen als noch in den 70er- und 80er-Jahren. Ihnen allen ist die Vogelwarte zu grossem Dank verpflichtet. Wir rufen dazu auf, die Kolonien weiterhin achtsam im Auge zu behalten und drohende Renovationen immer auch als Chance zu verstehen. Denn sie bieten die Möglichkeit, neue, geräumige Brutmöglichkeiten für die Zukunft bereitzustellen und Konflikte zu entschärfen. Die Schweizerische Vogelwarte ihrerseits ist gerne bereit, ihre langjährigen Erfahrungen einzubringen und den engagierten Seglerschützerinnen und -schützern vor Ort beratend zur Seite zu stehen.