Freiwillige fördern Turmfalke und Schleiereule

    Seit 15 Jahren engagieren sich Ehrenamtliche in der ganzen Schweiz für die Förderung von Turmfalke und Schleiereule. Dazu unterhalten sie ein Netz von rund 3800 Nistkästen, die sie jährlich Kontrollieren und daneben auch Nestlinge und Altvögel beringen.Die so gewonnenen Daten dienen dem besseren Verständnis der Bestandsentwicklung und letztlich wiederum der Förderung der beiden Arten.

    Blick in ein mit drei Jungtieren besetzten Turmfalkennistkasten
    Blick in ein mit drei Jungtieren besetzten Turmfalkennistkasten
    Foto © Claudia Müller
    Eine Auswahl der zurückgelegten Strecken junger Turmfalken vom Ausfliegen (Kreise) bis zum ersten Brutort (Dreiecke).
    Eine Auswahl der zurückgelegten Strecken junger Turmfalken vom Ausfliegen (Kreise) bis zum ersten Brutort (Dreiecke).
    Foto © Archiv Vogelwarte
    Junge Schleiereulen schlüpfen asynchron und weisen deshalb markante Grössenunterschiede auf. Die Erstgeborenen können zwei Wochen älter sein als die Jüngsten
    Junge Schleiereulen schlüpfen asynchron und weisen deshalb markante Grössenunterschiede auf. Die Erstgeborenen können zwei Wochen älter sein als die Jüngsten
    Foto © Jean Lou Zimmermann
    Eine Auswahl der zurückgelegten Strecken junger Schleiereulen vom Ausfliegen (Kreise) bis zum ersten Brutort (Dreiecke).
    Eine Auswahl der zurückgelegten Strecken junger Schleiereulen vom Ausfliegen (Kreise) bis zum ersten Brutort (Dreiecke).
    Foto © Archiv Vogelwarte

    Seit 15 Jahren engagieren sich Ehrenamtliche in der ganzen Schweiz für die Förderung von Turmfalke und Schleiereule. Dazu unterhalten sie ein Netz von rund 3800 Nistkästen, die sie jährlich Kontrollieren und daneben auch Nestlinge und Altvögel beringen.Die so gewonnenen Daten dienen dem besseren Verständnis der Bestandsentwicklung und letztlich wiederum der Förderung der beiden Arten.

    Schleiereule und Turmfalke waren im Mittelland zu Beginn der 1960er-Jahren noch häufiger, nahmen jedoch bis in die 1980er-Jahrestetig ab. 2001 und 2010 wurden beide Arten auf der Roten Liste der gefährdeten Brutvogelarten der Schweiz als potenziell gefährdet beurteilt. Der Rückgang der beiden typischen Kulturland-Vogelarten wird in erster Linie auf das ungenügende und schlecht erreichbare Nahrungsangebot im intensiv genutzten Landwirtschaftsgebiet und auf das Fehlen geeigneter Brutplätze zurückgeführt.

    Turmfalke und Schleiereule bewohnen offene bis halboffene Kulturlandschaften und brüten auch in Siedlungsnähe. Turmfalken kommen landesweit vor, auchoberhalb der Waldgrenze, Schleiereulen brüten nur selten oberhalb von 700 m ü. M. Beide Arten ernähren sich zum Grossteil von Wühlmäusen, doch auch andere kleine Wirbeltiere wie kleine Singvögel und Eidechsen gehören zum Beutespektrum. In der Regel hat ein Turmfalkenpärchen pro Jahr eine Brut mit 3–6, selten 7 Eiern.Bei Verlust des Geleges kann es zu einer Ersatzbrut kommen. Schleiereulen hingegen passen die Zahl ihrer Bruten und die Gelegegrösse stark dem jeweiligen Nahrungsangebot an: In mäusereichen Jahren brüten mehr Paare als in mäusearmen Jahren, und Paare mit 2 Bruten pro Jahr sind häufiger. Ausserdem überleben in guten Jahren mehr Junge pro Brut. Selten konnten sogar Bruten mit mehr als 10 flüggen Schleiereulen nachgewiesen werden.

    Die Bestände beider Arten werden stark durch die winterlichen Wetterbedingungen beeinflusst.Vor allem die Schleiereule erleidet in strengen Wintern starke Bestandseinbussen, wenn eine anhaltende Schneebedeckung die Nahrungssuche erschwert. Zu Bestandseinbrüchen kam es unteranderem in den Wintern 2005/06, 2008/09 und 2012/13. In langen Phasen mit geschlossener Schneedecke findet die Schleiereule oft nur noch in für sie zugänglichen Ställen und Scheunen Mäuse. Folgt auf einen strengen Winter ein feuchter, mäusearmer Frühling, kommt es meist nur zu wenigen Bruten.

    Beide Arten brüten in Nischen und Hohlräumen in und an Gebäuden in ländlichen Siedlungenund im Landwirtschaftsgebiet. In der Vergangenheit sind viele solche Nistplätze verloren gegangen, da bestehende Gebäude renoviert und viele Feldscheunen abgerissen wurden. Obwohl die Bereitschaft für die Erhaltung von Brutplätzen gestiegen ist, gehen bei Renovationen immer noch Brutplätze verloren. Glücklicherweise nehmen beide Arten gerne Nistkästen an, vor allem an Scheunen und Bauernhäusern.

    Viele dieser Nisthilfen für Turmfalkeund Schleiereule werden heute von Freiwilligen betreut. Natur-und Vogelschutzvereine (in der Deutschschweiz vielerorts Sektionen des SVS/BirdLife Schweiz),aber auch engagierte Privatpersonen, darunter viele Landwirte,hängen in geeigneten Gebieten Nistkästen auf und engagieren sich damit tatkräftig für den Schutz und die Förderung der beiden charismatischen Arten.

    Ein ausgewachsener Turmfalke benötigt pro Tag 60–80g frische Mäuse (eine Feldmaus wiegt rund 18 g). So unterstützen die beiden Mäusefänger die Landwirte bei der Mäusebekämpfung. Dieser Nutzen kann Landwirte dazu motivieren, nebst dem Aufhängen von Nisthilfen auch naturnahe Flächen wie Blumenwiesen, Brachen oder Kleinstrukturen auf ihren landwirtschaftlichen Betrieben anzulegen. Denn sowohl Schleiereulen als auch Turmfalken finden entlang von Hecken sowie in Buntbrachen und Säumen auch dann noch Nahrung, wenn hochwachsende Kulturen wie Getreide, Mais oder ungemähte Wiesen für die Jagd ungeeignet geworden sind.

    Ein Beispiel eines solchen erweiterten Förderprojekts befindet sich im St. Galler Rheintal. Dort führt die Vogelwarte zusammen mit Pro Riet Rheintal, dem Maschinenring Ostschweiz-Liechtenstein und der lokalen Bauernschaft seit 2007 ein umfangreiches Artenförderungsprogramm für Turmfalke und Schleiereule durch. Bis dato wurden über 160 Nistkästen montiert und grossflächig Blumenwiesen angesät. Die Turmfalken danken es mit einem Bestandszuwachs von damals 24 auf aktuell 40 Brutpaare.

    Die ehrenamtlich arbeitenden Gruppen betreiben erfolgreich Öffentlichkeitsarbeit. Neben zahlreichen Artikeln in Lokalzeitschriften fördern sie das Verständnis und das Interesse der Bevölkerung für die Artenförderung von Turmfalke und Schleiereule mit zahlreichen kreativen Aktionen. Bei Beringungsaktionen von Nestlingen können Kinder und Familien Jungvögel ganz nah erleben. Weiter ermöglichen mittlerweile zahlreiche in den Nistkästen installierte Webcams faszinierende Einblicke in die Jungenaufzucht. Sie sind so angebracht, dass sich die Brutvögel und Jungvögel nicht daran stören. Die Bilder werden im Internet nicht nur von interessierten Vogelfreunden aus der Schweiz und dem nahen Ausland betrachtet; auch aus Übersee gibt es regelmässige Besuche der Websites.

    Die schweizweit koordinierten Bemühungen zugunsten von Schleiereule und Turmfalke sind eindrücklich. Inzwischen beteiligen sich nicht weniger als 35 lokale Gruppen an der Förderung für Turmfalke und Schleiereule. Dabei betreuen sie unter anderem über 3800 Nistkästen. Seit 2002 werden im Rahmen des Programms «Artenförderung Vögel Schweiz» die meisten Teilprojekte durch die Vogelwarte koordiniert. Zudem fliessen die Daten zu Kastenbelegung, Bruterfolg und Beringung in ein Populationsmonitoring ein: In diesem Projekt untersucht die Vogelwarte, wie die Entwicklung der lokalen Bestände durch die jährliche Anzahl Jungvögel pro Paar, die Überlebensrate von Jung- und Altvögeln oder die Immigration und Emigration in und aus bestimmten Regionen beeinflusst wird.

    Mindestens einmal in der Brutzeit werden die betreuten Nistkästen von den Ehrenamtlichen besucht und, wenn Brutvögel anwesend sind, der Fortgang des Brutgeschehens dokumentiert. Die Beringung der Jungvögel gehört in den meisten Projekte zu den Kernaufgaben. Von 2002–2014 wurden über 20 000 junge Turmfalken und über 5000 junge Schleiereulen beringt. Der Fang und die Beringung von Altvögeln ist zeitaufwändiger. Dennoch konnten im gleichen Zeitraum über 340 adulte Turmfalken und über 320 adulte Schleiereulen beringt werden. Wie wichtig diese Daten für die Wissenschaft und auch die Artenförderung sind, zeigt sich in Kontrollfängen von Altvögeln. Sie lassen erkennen, dass bei den Turmfalken 50 % der Altvögel ihren Brutplätzen treu bleiben. Die maximal zurückgelegte Distanz zwischen Brutplätzen in aufeinanderfolgenden Jahren liegt bei nur 7 km. Auch Schleiereulen ziehen in 49 % der Fälle weniger als 2 km weit weg von einem genutzten Brutplatz. Revierwechsel finden vor allem nach missglückten Brutversuchen statt, wobei Distanzen bis zu 40 km zu einem neuen Brutplatz zurückgelegt werden können. Der Unterhalt der bestehenden Brutplätze ist folglich von grösster Bedeutung. Jungvögel beider Arten sind generell wanderfreudiger. Insbesondere junge Schleiereulen legen weite Distanzen zurück, um einen eigenen Brutplatz und einen Partner zu finden. Von den in den beteiligten Projekten beringten Jungtieren wanderte ein junger Turmfalke 60 km von Fräschels (FR) bis nach Lussery (VD). Eine junge Schleiereule aus Ermensee (LU) wurde in 146 km Distanz zum Geburtsort in Penthalaz (VD) wieder gefangen. Diese Fähigkeit zur Ausbreitung hilft der Schleiereule, ehemals verwaiste Nistplätze schnell wieder zu besiedeln. Dennoch sieht es für die Schleiereulenbestände in der Schweiz momentan nicht rosig aus. Während sich die Turmfalkenbestände in den letzten Jahren dank der Förderbemühungen stark erholen konnten, litten die Bestände der Schleiereule unter den strengen Wintern und den schlechten Bruterfolgen bei nass-kaltem Frühlingswetter. Eine neue Studie der Vogelwarte und der Universität Lausanne wird aufzeigen, wie und wo Schleiereulen ausserhalb der Brutzeit ihre Nahrung finden und welche Lebensräume und Strukturen im Landwirtschaftsgebiet ihnen die besten Jagdgründe bieten. Erste Resultate dieser Studie, bei der adulte Schleiereulen mit GPS-Sender versehen werden, zeigen, dass die Vögel sich hauptsächlich entlang von Brachen und Hecken bewegen und diese wohl auch zur Jagd nutzen. Die Erkenntnisse aus dieser Studie werden helfen, die Förderstrategien weiter zu entwickeln, um auch der Schleiereule zu einem Aufschwung verhelfen.