© Luc Hoogenstein
Ökologischer Nassreis-Anbau in der Schweiz
Seit 2017 wird in der Schweiz Nassreis angebaut. Erste Erfahrungen zeigen, dass sich durch den ökologischen Anbau von Nassreis die Produktion von Nahrungsmitteln und die Förderung bedrohter, auf Feuchtgebiete angewiesener Arten kombinieren lässt.
Reis ist gemessen am Erntevolumen die viertwichtigste Nutzpflanze der Welt und besonders in Asien von grosser Bedeutung. Reis kommt in vielen verschiedenen Sorten vor und kann als Nassreis oder Trockenreis angebaut werden. Die Schweiz importiert jährlich 50 000 Tonnen Reis, mehrheitlich aus Italien. Die lokale Produktion ist unbedeutend, trotzdem hat Schweizer Reis Potenzial als rentables, lokales Nischenprodukt.
Seit 1997 wird im Tessin Trockenreis angebaut. Erste Anbauversuche in der Schweiz im Jahr 2017 zeigten, dass auch Nassreis nördlich der Alpen zur Reife gebracht und geerntet werden kann. Innovative Landwirte liessen sich für den Nassreisanbau begeistern, sodass heute gut ein Dutzend von ihnen in den Kantonen Aargau, Bern, Freiburg, Waadt und Wallis Nassreis anbauen. Untersuchungen zeigten schnell, dass sich durch den Anbau von Nassreis die Produktion eines Nahrungsmittels und die Förderung der Biodiversität, insbesondere feuchtgebietsliebender Arten, gut kombinieren lässt.
Der Anbau in der Schweiz erfolgt herbizid- und pestizidfrei. Nassreis kann gesät oder gesetzt werden. Die meisten Landwirte arbeiten mit Setzlingen, die etwa Mitte Mai in ein zuvor bearbeitetes und geflutetes Feld ausgepflanzt werden. Der Wasserstand wird im nivellierten Reisfeld so reguliert, dass die Reispflanzen bis Ende August in ungefähr fünf Zentimeter tiefem Wasser stehen. Ende August wird das Wasser abgelassen, um Ende September bei trockenen Bedingungen ernten zu können.
Untersuchungen von Agroscope zeigen, dass die Nassreisfelder ökologisch wertvoll sind. In den Reisfeldern wimmelt es von Leben. Viele bedrohte Tier- und Pflanzenarten pflanzen sich nachweislich in Reisfeldern fort, wie etwa Kreuzkröte, Laubfrosch oder Sumpf-Heidelibelle. Die Anzahl von Mücken- und Libellenlarven ist in Reisfeldern im Vergleich zu natürlichen Gewässern ähnlich hoch. Stark gefährdete Pflanzenarten wie das Schwarzbraune Zypergras und die Eiförmige Sumpfbinse kamen in einem Reisfeld bei Brugg AG bereits im ersten Anbaujahr spontan auf.
Auch für Vögel sind die Reisfelder attraktiv, wohl aufgrund des hohen Nahrungsangebots. Im Rahmen einer Untersuchung der Vogelwarte wurden im Verlauf eines Jahres in sieben Reisfeldern der Schweiz 94 Vogelarten nachgewiesen. Während Finken, Ammern, Pieper und Stelzen das Reisfeld im trockenen Zustand nutzen, werden durch die Flutung Reiher, Limikolen und Entenvögel angezogen. Bei regnerischen Bedingungen ziehen die Reisfelder Schwalben an, die über dem Reisfeld nach Insekten jagen. Bei den meisten festgestellten Vogelarten handelt es sich um Durchzügler und Nahrungsgäste. Die Reisfelder sind aber nicht nur für Durchzügler attraktiv. In Mühlau AG kam es 2022 in einem Reisfeld zu einer Kiebitzbrut. Zwei weitere Paare, die in der Umgebung gebrütet hatten, zogen ihre Jungen im Reisfeld auf.
Diese Beobachtungen sind verheissungsvoll und unterstreichen das Potenzial von Nassreisfeldern zur Förderung bedrohter Arten. Die Nassreisfelder ersetzen Naturschutzgebiete, wertvolle Biodiversitätsförderflächen und eine Extensivierung der Landwirtschaft zwar nicht, sie können aufgrund des hohen Nahrungsangebots aber ein sehr wertvolles Element in einer naturnah bewirtschafteten Kulturlandschaft sein. Die Neuschaffung von Reisfeldern anstelle intensiv bewirtschafteter Flächen oder von Gewächshäusern ist aus ökologischer Sicht zu begrüssen und kommt auch den Vögeln zugute.