© Marcel Burkhardt
Ein aussergewöhnlicher Gast (29.08.2022)
Bei Bergvögeln denkt man spontan an Alpendohle, Steinadler oder Schneehuhn. Zurzeit sind unsere Berge aber auch ein Rastplatz des Mornellregenpfeifers. Vertauschte Geschlechterrollen und sein zutrauliches Wesen machen den Watvogel zu einem aussergewöhnlichen Gast in unserem Land.
Sempach. – Ob Ornithologin oder Wanderer, wer auf einer Bergwanderung von einem Mornellregenpfeifer überrascht wird, ist entzückt. Der Durchzug des zutraulichen Watvogels ist einer der ornithologischen Höhepunkte im August. Mit seinem alpinen Rastplatz tanzt er aber ziemlich aus der Reihe: Seine nahen Verwandten, etwa der Kiebitz, sind vor allem in den Feuchtgebieten des Mittellandes anzutreffen.
Der Mornellregenpfeifer brütet hauptsächlich in Skandinavien und macht auf dem Zug in seine nordafrikanischen Winterquartiere Rast in den Schweizer Bergen. Eine Begegnung mit dem hübschen Watvogel vergisst man nicht so schnell: Sein geschupptes Gefieder und auffällige weisse Überaugenstreifen, die auf der Rückseite des Kopfes ein «V» bilden, sorgen für ein unverwechselbares Aussehen. Seinem Namen macht er alle Ehre – «Mornell» stammt vom lateinischen Wort für «Narr» ab – ist er doch Menschen gegenüber äusserst zutraulich. Dennoch bleibt jede Sichtung eines Mornellregenpfeifers ein Glücksfall.
Der drollige Vogel hat weitere interessante Eigenheiten: Das Männchen brütet die Eier aus und kümmert sich um die Jungen. Die Geschlechterrollen sind komplett vertauscht, und das Weibchen balzt im Frühling um die Männchen. Sie trägt daher auch das schönere Prachtkleid als er.
All diese spannenden Verhaltensweisen zeigen auf eindrückliche Weise die Vielfalt der Natur auf. Der Mornellregenpfeifer ist aber auch ein mahnendes Beispiel für die Auswirkungen unseres Verhaltens: Europaweit gehen seine Bestände zurück, Grund dafür sind die Jagd und die Klimakrise. Auch Tourismusprojekte in seinen Rastgebieten spielen eine Rolle. Der Mornellregenpfeifer ist damit auch ein Beispiel für die Komplexität des Zugvogelschutzes: Zugvögel müssen über Grenzen hinaus in Brut-, Rast- und Wintergebieten geschützt werden, sollen sie auch weiterhin über tausende Kilometer hinweg ziehen können.
Internationaler Zugvogelschutz
Für den Schutz der Zugvögel ist eine internationale Zusammenarbeit notwendig. Der Schutz der Landvögel, die zwischen ihren eurasischen Brutgebieten und den afrikanischen Winterquartieren ziehen, ist im AEMLAP (für «African-Eurasian Migratory Landbirds Action Plan») geregelt. Dieser Aktionsplan umfasst rund 550 Arten. Die Schweizerische Vogelwarte hat die Koordination des Aktionsplans im Rahmen eines Mandats der Vereinten Nationen inne.
Weitere Informationen: www.vogelwarte.ch/de/vogelwarte/news/avinews/august-2022/internationaler-zugvogelschutz-in-sempach.
Weitere Auskünfte
Livio Rey
Schweizerische Vogelwarte
6204 Sempach
Tel. 041 462 97 14
livio.rey@vogelwarte.ch