Freizeitverhalten des Menschen

Zwei Stand-up-Paddler am 29. Januar 2017 im internationalen Wasser- und Zugvogelschutzgebiet Ermatinger Becken TG/D. Eine solche Störung kann Tausende von Wasservögeln aufscheuchen. © Stephan Trösch

Die Natur ist einem immer grösseren Druck durch Erholungssuchende ausgesetzt. Freizeitaktivitäten in der Natur haben massiv an Beliebtheit gewonnen, die touristische Infrastruktur wird laufend ausgebaut. Refugien für störungsanfällige Tiere sind hierzulande rar geworden, was sich durch die Vermarktung der «unberührten» Natur noch verstärkt.

In der Natur durchgeführte Freizeitaktivitäten (Outdoor-Aktivitäten) sind erholsam und können sich positiv auf die menschliche Gesundheit auswirken. Sie erfreuen sich weltweit immer grösserer Beliebtheit und entwickelten sich zu einem wesentlichen Wirtschaftszweig. Auch in der Schweiz sind Outdoor-Aktivitäten sehr beliebt. Beispielsweise gehen über zwei Drittel der Schweizer Bevölkerung regelmässig Wandern oder Picknicken. Den Wanderern stehen hierzulande Wanderwege von insgesamt 65 000 km Länge zur Verfügung. Davon führen knapp 1500 km durch Moorlandschaften und knapp 500 km durch Auenlandschaften.

Zunahme der Aktivitäten

Die Beliebtheit verschiedener Outdoor-Sportarten nimmt laufend zu: Der Anteil an Personen, die Wandern als eine ihrer Sportarten angab, stieg zwischen 2000 und 2014 um rund ein Drittel. Die Anzahl regelmässigen Schneeschuhläufer hat sich zwischen 2008 und 2014 ungefähr verdoppelt.

Viele Regionen sind auf die Einnahmen aus dem Tourismus angewiesen, die touristische Infrastruktur wird daher laufend ausgebaut. Im Grossprojekt Andermatt Swiss Alps beispielsweise wurden zwischen 2007 und 2013 rund 345 Millionen Franken investiert. Die Transportkapazität der Seilbahnen in der Schweiz hat sich seit 1990 ungefähr verdoppelt. Der Anteil der technisch beschneiten Skipistenfläche lag zu Beginn der Neunzigerjahre nahe bei null, mittlerweile kann die Hälfte der 225 km2 Pistenfläche beschneit werden. Allgemein hat die konsumierte Mobilität massiv zugenommen. Im privaten motorisierten Strassenverkehr werden in der Schweiz mittlerweile jährlich fast 100 Milliarden Personenkilometer zurückgelegt. Dabei entfielen 57 % der insgesamt von Personen zurückgelegten Kilometer 2015 auf die Kategorien Freizeit und Einkaufen; der grösste Teil dieser Strecke wird mit dem Auto zurückgelegt.

Entwicklung der Verkehrsleistungen im Personenverkehr 1970–2016. Seit 1970 haben sich die Verkehrsleistungen des motorisierten Individualverkehrs und des öffentlichen Verkehrs mehr als verdoppelt. 2016 wurden insgesamt 132,6 Milliarden Personenkilometer zurückgelegt. Davon entfielen rund drei Viertel auf den privaten motorisierten Strassenverkehr (Autos, Motorräder, Cars). Dessen Verkehrsleistung ist damit fast fünfmal grösser als die der Bahnen. Der Langsamverkehr (zu Fuss und Velos) kam auf 8,0 Milliarden Personenkilometer, der öffentliche Strassenverkehr (Trams und Busse) auf 4,5 Milliarden Personenkilometer.

© Bundesamt für Statistik (2017a).

Entwicklung der Transportkapazität der Seilbahnen in der Schweiz 1990–2016. Die Anzahl Seilbahnen ist zwar seit rund 15 Jahren stabil, die Transportkapazitäten steigen aber kontinuierlich an. Die Bahnen wurden demnach leistungsfähiger (grösseres Fassungsvermögen und/oder höhere Transportgeschwindigkeit).

© Seilbahnen Schweiz (2017)

Entwicklung des Anteils technisch beschneiter Pistenfläche in der Schweiz 1990–2016 (von 2012 liegen keine Angaben vor). Der Anteil technisch beschneibarer Pisten beträgt derzeit rund 49 %. Österreich und Italien beschneien deutlich mehr, in Deutschland und Frankreich hingegen ist die technische Beschneiung viel weniger verbreitet.

© Seilbahnen Schweiz (2017)

Ganzjährig und flächendeckend

Während sich die touristischen Aktivitäten in den Alpen früher besonders auf den Winter konzentrierten, beobachtet man heute einen Trend in Richtung ganzjährige touristische Nutzung, unter anderem um den Rückgang der Einnahmen aus dem Wintergeschäft zu kompensieren. Bergbahnen werben beispielsweise mit Downhill-Bikestrecken; auf «Tripadvisor» finden sich Dutzende ganzjährig verfügbare Outdoor-Angebote.

In den letzten Jahren wurden zudem verschiedene Outdoor-Aktivitäten mit einem sehr grossen Störungspotenzial entwickelt. Als Beispiel sei hier das Stand-up-Paddeln erwähnt, eine Aktivität, die mittlerweile dank hochwertiger Ausrüstung zu erschwinglichen Preisen das ganze Jahr betrieben werden kann. Auf den Binnengewässern Europas kam Stand-up-Paddeln erst im 21. Jahrhundert auf und wird mittelweile an gewissen Orten ganzjährig betrieben, so etwa am Bodensee. Eine weitere neue und besonders für Wasservögel heikle Sportart ist das Kitesurfen. Die Fluchtdistanz von Wasservögeln auf Kitesurfer kann mehrere 100 m betragen.

Auch für Ornithologinnen und Naturfotografen ist das Naturerlebnis ein zentraler Bestandteil ihres Hobbys. Sie gehen im Allgemeinen aber bewusst mit der Natur um und versuchen, nicht unnötig zu stören. Allerdings halten sich auch diese Personen gerne in «unberührten», eher störungsarmen Landschaften auf. Dadurch wird der verfügbare Lebensraum für störungsanfällige Tiere weiter eingeschränkt. Nebst Naturfreunden haben auch Outdoor-Sportler die bisher wenig frequentierten Flecken und Lebensräume für sich entdeckt. Felswände werden für Basejumping oder Klettersteige genutzt. Die rund 32 000 in der Schweiz für das Geocaching versteckten Behälter befinden sich an allen möglichen Orten, meist jedoch fernab von Wegen.

Auch Gebiete ohne Seilbahnen und Skilifte werden im Winter intensiv von Outdoor-Sportlern aufgesucht, hier Variantenskifahrer bei Tiefenbach/Realp UR.

© Fränzi Korner-Nievergelt

Änderung in Sicht?

Die Anfälligkeit der Natur auf Störungen durch das menschliche Freizeitverhalten wird in der Öffentlichkeit relativ selten diskutiert. Besucherlenkung ist allenfalls in Naturschutzgebieten ein Thema, Wildtiere versucht man durch das Einrichten von Wildruhezonen besonders im Winter vor menschlichen Störungen zu schützen, was dank dem Anbringen entsprechender Markierungen im Gelände meist auch gelingt. In urbanen Zonen und Naherholungsgebieten hingegen ist es oft unmöglich, naturnahe Flächen für Spaziergänger, Hunde und Badegäste zu sperren. Die in den letzten Jahren entstandenen Naturparks schliesslich haben sich zwar unter anderem den Natur- und Landschaftsschutz zum Ziel gesetzt. Hauptziel ist allerdings die Vermarktung der Region, was eher zu einer Zunahme der Besucherinnen und Besucher und schliesslich auch der Störungen durch menschliche Freizeitaktivitäten beiträgt.

Wildruhezonen haben sich in der Praxis als zielgerichtetes, rechtliches Instrument der Nutzungslenkung bewährt. Sie sorgen für den gebietsweisen Schutz der Wildtiere vor Störungen.

© Jochen Ihle

Ski- und Schneeschuhtouren werden immer beliebter, womit aber auch das Störungspotenzial für Raufusshühner und andere Wildtiere grösser wird.

© Yves Bötsch

Text: Nicolas Strebel

Literatur

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