Siedlungsraum
Die Siedlungsfläche gehört zu den am stärksten wachsenden Bodennutzungstypen der Schweiz. Von 1985 bis 2009 war es ein Plus von einem Viertel. Die Zunahme fiel grösser aus als das Bevölkerungswachstum. Besonders stark ist der Anstieg bei den Wohnflächen und den Freizeitanlagen. In jüngster Zeit zeichnet sich eine leichte Abschwächung des Siedlungswachstums ab.
Basierend auf der Arealstatistik von 2004–2009 wurde eine Siedlungsfläche von rund 3079 km2berechnet. Dies entspricht 7,5 % der Landesfläche oder ungefähr einer Fläche, die zweimal so gross ist wie der Kanton Luzern. Zur Siedlungsfläche werden neben den Hoch- und Tiefbauten auch alle versiegelten Flächen gezählt. Das sind asphaltierte und andere künstliche Flächen, auf denen das Wasser nicht versickern kann. Als Siedlungsflächen gelten auch unversiegelte Areale, die dem Siedlungs- oder Verkehrszweck dienen. Hierzu gehören beispielsweise Hausgärten, Parks, Sport- und Erholungsanlagen, Grünflächen neben Verkehrsbauten und Autobahnböschungen.
Die Hälfte der Siedlungsfläche entfällt auf Gebäudeareale. Verkehrsflächen machen mit fast einem Drittel, also rund 1000 km2, ebenfalls einen wesentlichen Anteil aus. Die übrige Fläche verteilt sich auf Industrie- und Gewerbeareale (7,8 %), Erholungs- und Grünanlagen (6,4 %) und besondere Siedlungsflächen (5,5 %); dazu zählen zum Beispiel Abbauflächen, Deponien und Baustellen. Im Mittelland liegt der Anteil der Siedlungsfläche mit 16 % mehr als doppelt so hoch wie im landesweiten Durchschnitt. Versiegelte Areale machen 62 % der Siedlungsfläche aus. Die Fläche ungenutzter Industrie- und Gewerbeflächen, sogenannte Industriebrachen, wurde 2008 auf 18 km2 geschätzt. Dies entspricht einer Fläche, die grösser ist als die Stadt Genf.
Wachstum auf Kosten des Landwirtschaftslands
Zwischen 1985 und 2009 hat sich die Siedlungsfläche um 584 km2 oder 23,4 % vergrössert. Dies entspricht pro Jahr einer Fläche, die grösser ist als der Murtensee. Das Siedlungswachstum hat sich in den letzten drei Jahrzehnten etwas verlangsamt. Zwischen 1982 und 1994 betrug es 1,1 % pro Jahr, entsprechend einer Fläche von 0,86 m2/s. Zwischen 1994 und 2006 waren es noch 0,8 % pro Jahr oder 0,69 m2/s. Die neuste Arealstatistik zeigt für die Westschweiz zwischen 2006 und 2015 eine jährliche Zunahme der Siedlungsflächen von 0,7 %. Die neuen Siedlungsflächen entstanden zu 89 % auf Landwirtschaftsflächen und zu 9 % auf Wald- oder Gehölzflächen.
Die Siedlungsfläche hat in allen Kantonen zugenommen mit einem Wachstum von 14 % (Kanton Schaffhausen) bis 40 % (Kanton Appenzell Innerrhoden). Eine Ausnahme bildet der Kanton Basel-Stadt, der mit einem Anstieg von 1,3 % eine fast konstante Siedlungsfläche aufweist.
Die Ausdehnung des Siedlungsraums zerstört Naturwerte: In den Bauzonen von neun Gemeinden im Kanton Basel-Landschaft befinden sich im Vergleich mit der Landwirtschaftszone 6-mal mehr Bäume, 21-mal mehr punktförmige Landschaftselemente (z.B. Einzelstrauch, Lesesteinhaufen), 30-mal mehr lineare Landschaftselemente (z.B. Hecke, Graben, Krautsaum) und 2,5-mal mehr flächige Landschaftselemente (z.B. Ruderalfläche, Feldgehölze). All diese Elemente gehen bei der Überbauung verloren.
Siedlungswachstum stärker als Bevölkerungsanstieg
Die Zunahme der Siedlungsfläche steht im Zusammenhang mit der wachsenden Bevölkerung. Zwischen 1995 und 2016 wuchs die Anzahl Einwohner in der Schweiz von 7 auf 8,4 Millionen, also um 17,5 %. Die Siedlungsfläche hat im Verhältnis zur Bevölkerung aber noch stärker zugenommen. So beanspruchte 2009 jeder Einwohner im Durchschnitt 20 m2 mehr Siedlungsfläche als noch 1985. Insgesamt fällt auf jeden Einwohner eine Siedlungsfläche, die einer Grösse von zwei Tennisfeldern (407 m2) entspricht. Das Wohnareal (für Wohnbauten und deren Umschwung benötigte Fläche exklusive landwirtschaftlicher Gebäude) hat sich von 1985 bis 2009 sogar um 44,1 % vergrössert. Im Vergleich zum Bevölkerungswachstum ist das zweieinhalb Mal mehr. Die kleinste Siedlungsfläche pro Einwohner mit rund 130 m2 wird im Kanton Basel-Stadt erreicht, die höchsten mit 630–820 m2 in den ländlichen Kantonen Jura, Wallis und Graubünden.
Gebäude und Golfplätze haben am stärksten zugelegt
Den grössten Anteil an den neuen Siedlungsflächen zwischen 1985 und 2009 machen Gebäude mit 368 km2 (63,4 %) und Verkehrsflächen mit 128 km2 (21,9 %) aus. Prozentual sind aber Erholungs- und Grünanlagen am meisten gewachsen (37,5 %). Gebäudeareale sowie Industrie- und Gewerbeareale haben je um 32,2 % zugenommen und Verkehrsflächen um 15,5 %. Die unter «besondere Siedlungsflächen» geführten Areale haben sich dagegen um 13,2 % verkleinert, was mit einem Rückgang von Baustellen und der Rekultivierung von Kiesgruben zusammenhängt.
Bei den Erholungs- und Grünanlagen machen die öffentlichen Park- und Sportanlagen den grössten Teil des Anstiegs aus. Nur geringe Zunahmen sind bei Friedhöfen und Campingplätzen zu finden. Schrebergärten sind als einziger Typ der Erholungs- und Grünanlagen zurückgegangen, vor allem zugunsten von Gebäuden und Verkehrsflächen. Der Anteil naturnaher Gärten im Siedlungsraum ist jedoch tief und schwankt beispielsweise in Binningen BL je nach Quartier zwischen 7 und 20 %. Der mit Abstand grösste Zuwachs mit rund 280 % fand bei den Golfplätzen statt. Mehr als vier Fünftel des Anstiegs entfielen dabei allein auf den Zeitraum zwischen 1997 und 2009.
Bei den Industrie- und Gewerbearealen ist eine Verlagerung von städtischen Gebieten in Agglomerationen und in die Nähe von Autobahnanschlüssen und Eisenbahnlinien festzustellen. Zu 71 % wurden dazu Landwirtschaftsflächen überbaut.
Verkehrsareale und Landschaftszerschneidung
Rund ein Drittel der Siedlungsfläche wird von Verkehrsarealen beansprucht. Die Länge der Strassen (National-, Kantons- und Gemeindestrassen) in der Schweiz beträgt über 71 500 km, wobei die Gemeindestrassen nicht vollständig erfasst sind. Die Länge der Autobahnen hat von knapp 1200 km im Jahr 1996 auf 1447 km im Jahr 2016 zugenommen. Der grösste Anstieg der Nationalstrassen fand indes vor 1985 statt.
Die Schweiz hat verglichen mit anderen Ländern in Europa eines der dichtesten Strassennetze. Die Länge der Strassen (ohne Privatstrassen) beträgt 1,7 km pro km2. Die Räume zwischen Strassen, Siedlungen und anderen künstlichen Barrieren werden mit der sogenannten Maschenweite beschrieben, wobei in dieser Berechnung die kleineren Strassen der 3. und 4. Klasse nicht einbezogen wurden. Im Jahr 1980 betrug diese Maschenweite im Mittelland noch 10 km2, 2007 waren es nur noch 8 km2 oder 20 % weniger. In den Bergregionen ist zwischen den künstlichen Barrieren noch deutlich mehr Platz vorhanden. Im Jura sind diese Räume 7,5-mal, in den Alpen 56–71-mal grösser als im Mittelland. Aber auch in den Bergen werden immer mehr Strassen gebaut. Am stärksten war die Veränderung im Jura, wo die Maschenweite zwischen 1980 und 2007 um 14,8 % kleiner wurde, in den Alpen betrug die Verkleinerung 1,5–4,5 %.
Siedlungswachstum in Zukunft
Auch in Zukunft wird die Siedlungsfläche in der Schweiz steigen. Die neuste Arealstatistik 2013–2018 zeigt für die Westschweiz, dass sich das Siedlungswachstum nur gering abgeschwächt hat. Die Zunahme von Gebäuden, Industriearealen und Verkehrsflächen ist auch eine Folge der wirtschaftlichen Entwicklung. Das steigende Bedürfnis an mehr Wohnraum, die zunehmende Einwohnerzahl und die immer grössere Mobilität werden das Siedlungswachstum auch in Zukunft beeinflussen. Die Szenarien für die Bevölkerungszunahme gehen von einer leichten Abschwächung aus. Bis im Jahr 2045 wird eine Gesamtbevölkerung von 9 bis 11 Millionen erwartet. Das grösste Potenzial, um das Siedlungswachstum zu verlangsamen, liegt in der Nutzung von leerstehenden Gebäuden und der Verdichtung von bestehenden Siedlungsräumen. Bei diesem Verdichtungsprozess ist aber darauf zu achten, dass auch naturnahe Grünräume erhalten bleiben. Die Siedlungsfläche sollte nämlich gemäss Schätzungen zu 18 % aus naturnahen Grünflächen bestehen, um die Biodiversität und die Ökosystemleistungen im Siedlungsraum zu erhalten. Hinzu kommen pro km2 13 Einzelbäume oder andere Gehölze und mehrere unversiegelte Kleinflächen. Der Anteil an Ruderalflächen im Siedlungsraum müsste mindestens verdoppelt werden.
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