Vorwort

Vögel sind faszinierende Lebewesen. Die gefiederten Nachbarn erfüllen uns mit Freude und Bewunderung, wenn wir an den Vogelgesang im Frühling, die akrobatischen Flugkünste oder die Leistungen der Zugvögel denken. Doch das Zusammenleben von Mensch und Vogel gestaltet sich nicht immer einfach. Kenntnisse über ihre Vorkommen bilden die Grundlage für Massnahmen und weisen den Weg zu ihrem Schutz.

Liebe Leserinnen, liebe Leser

 

Die Schweizerische Vogelwarte Sempach hat 2013–2016 nach zwanzig Jahren erneut die Bestände und Verbreitung aller Brutvogelarten landesweit flächendeckend erhoben. Dank dem grossen Einsatz von über 2000 freiwilligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist eine Datenfülle zusammengekommen, welche den Zustand der einheimischen Vogelwelt detailliert beschreibt.

Der Vergleich der neuen Kenntnisse mit dem Brutvogelatlas 1993–1996 erlaubt eine fundierte Beschreibung der Entwicklung unserer Vogelwelt in den letzten 20 Jahren. Vögel sind ein untrüglicher Gradmesser für die Umweltqualität, insbesondere für den Zustand der Landschaft und der Lebensräume. Sie reagieren als wichtige Indikatoren sensibel auf die natürlichen, aber auch auf die vom Menschen verursachten Umweltänderungen. Dank ihnen können positive und negative Entwicklungen erkannt, analysiert und für die Planung von Schutz- und Fördermassnahmen verwendet werden.

Die detaillierten Informationen über Vogelvorkommen zeigen zum Beispiel, wo es heute Lücken in der ökologischen Infrastruktur unseres Landes gibt, wo Verbesserungen notwendig sind und wo dringend Massnahmen ergriffen werden müssen. Sie zeigen aber auch, dass etwa die Schutz- und Fördermassnahmen für Bartgeier und Mittelspecht erfolgreich sind. Die Ergebnisse sind eine Aufforderung, unseren Lebensraum derart zu gestalten, dass Brutvögel und andere Wildtiere darin leben können.

Auf der Basis der neuen Daten werden im neuen Brutvogelatlas wichtige Focus-Themen aufgegriffen: Etwa «Landwirtschaft trägt Verantwortung», in dem die aktuellen Entwicklungen, Defizite und Massnahmen zum Schutz und zur Förderung von Vogelarten in landwirtschaftlichen Lebensräumen angesprochen werden. «Grosse und nasse Feuchtgebiete braucht das Land», in dem auf die Herausforderungen im Zusammenhang mit gefährdeten Feuchtbiotopen und den Gewässern aufmerksam gemacht wird. Oder «Schwierige Koexistenz – Gebäudebrüter mitten unter uns», in dem gezeigt wird, wie nahe uns die Vögel in der Wohnumwelt sind und dass Siedlungsgebiete eine wichtige Rolle bei der Förderung der Biodiversität spielen. Diese Handlungsfelder sind von Bedeutung und werden vom BAFU im Rahmen der Umsetzung der Strategie Biodiversität verstärkt thematisiert.

Das Beobachten von Vögeln ist für viele Menschen wohl der häufigste und intensivste Kontakt mit Wildtieren. Die Leute freuen sich über die Rückkehr der Schwalben im Frühjahr oder über das morgendliche Vogelgezwitscher. Diese Erlebnisse gilt es auch für die zukünftigen Generationen zu bewahren. Die Vogelwelt und die ganze Biodiversität verdienen unsere Aufmerksamkeit und Unterstützung, denn sie tragen zu unserer Lebensqualität bei und sind Teil des reichhaltigen Naturerbes der Schweiz.

 

Marc Chardonnens
Direktor des Bundesamts für Umwelt BAFU