Schliessen

Verhaltensökologie von Meisen

Die Kohlmeise ist eine der weltweit am besten untersuchten Vogelarten. Untersuchungen, die die ganze Nahrungskette einbeziehen und verschiedene methodische Ansätze kombinieren, ermöglichen ein umfassendes Verständnis der Mechanismen, die in vielfältiger Weise das Leben der Meisen prägen. Wir untersuchten im Speziellen die Nahrungskette im Lebensraum Wald. Brutbiologische Daten, die fast das ganze 20. Jahrhundert abdecken, ermöglichen zudem Einsicht in die Wirkung von Klimafaktoren auf die Fortpflanzungsrate der Kohlmeise.

Ziele

Laubbäume bilden die Nahrungsgrundlage für Insektenlarven. Diese sind die wichtigste Nahrung für Kohlmeisennestlinge, doch stehen sie nur während kurzer Zeit zur Verfügung. Meisen müssen also ihre Bruten exakt mit dem Auftreten dieser Futterquelle abgleichen. Zwei wichtige offene Fragen waren, welche Faktoren das Überleben junger Meisen nach dem Ausfliegen bestimmen, und ob sich der Zeitpunkt der Brut auch nach Abklingen des Raupen-Maximums auf das Überleben der Jungvögel auswirkt.

Vorgehen

Zur Bestimmung des Nahrungsangebots in den Baumkronen braucht es verlässliche Angaben. Mittels Hebebühne wurden Astproben aus den Baumkronen gesammelt und die Raupen darauf ausgezählt und gewogen.

An der Vogelwarte wurden miniaturisierte Telemetriesender entwickelt, die erlauben, auch sehr kleine Vögel über grosse Entfernungen zu orten. Dank dieser Geräte konnten die Raumnutzung und die Überlebensrate der Jungvögel genau erfasst werden.

Ergebnisse

Um all die hungrigen Schnäbel ihrer Jungen stopfen zu können, optimieren Meiseneltern ihre Arbeit geschickt. Früh im Frühling wird die Brut vor allem mit Spinnen ernährt. Sobald die schnell wachsenden Raupen schwerer sind als Spinnen, stellen die Kohlmeisen den Menüplan um. Im späteren Frühling werden fast nur noch Raupen verfüttert. Bei der Futtersuche richten sich die Meiseneltern nach dem Nahrungsangebot auf den einzelnen Bäumen und nach deren Entfernung zum Nest. Durch die optimale Wahl der Futterquellen nach Raupenangebot und Transportdistanzen verringern die Meiseneltern ihren Arbeitsaufwand um etwa 30 % (verglichen mit einer gleichmässigen Nutzung der Bäume). Auch die Grösse der Reviere und damit die Siedlungsdichte der Meisen hängen vom Angebot an Nahrung ab. In nahrungsärmeren Lebensräumen sind die Reviere grösser. Die Untersuchung der Nahrungsketten kann also Erklärungen für grossräumige Unterschiede in der Verbreitung liefern.

Die Überlebensrate der Jungvögel ist von zwei Hauptfaktoren abhängig. Erstens ist die körperliche Kondition entscheidend: eine starke Muskulatur und gut ausgebildete Flügel bestimmen die Flugtüchtigkeit der jungen Vögel, und damit deren Fähigkeit, gefährliche Situationen zu vermeiden. Zweitens ist das perfekte `timing´ der Brut nicht nur für die Nestlingszeit entscheidend, sondern auch für die Zeit nach dem Verlassen des Nests. Im Verlauf des Sommers machen nämlich zunehmend Greifvögel, Häher und Marder Jagd auf Jungvögel. Bei früh ausgeflogenen Bruten sind deshalb die Verluste nach dem Ausfliegen viel geringer.

Projektleitung

Beat Naef-Daenzer

Partner

Prof. Dr. Lukas F. Keller, Institut für Evolutionsbiologie und Umweltwissenschaften
Dr. Ruedi G. Nager, University of Glasgow

Donatoren

Schweizerischer Nationalfonds

Publikationen

Naef-Daenzer, L., R.G. Nager, L.F. Keller & B. Naef-Daenzer (2004):
Are hatching delays a cost of a benefit for Great Tit Parus major parents? test
Fischbacher, M., B. Naef-Daenzer & L. Naef-Daenzer (1998):
Estimating caterpillar density on trees by collection of frass droppings. test