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Alpenschneehuhn und Klimawandel

Das Alpenschneehuhn wird nach allen Voraussagen sehr stark unter dem Klimawandel leiden, und sein Verbreitungsgebiet wird schrumpfen. Es stellen sich deshalb die Fragen, ob das Alpenschneehuhn heute schon in höheren Lagen vorkommt als früher, ob es in seinem Bestand schon zurückgegangen ist und ob es im Sommer mikroklimatisch kühle Orte aufsucht.

Ziele

Das Alpenschneehuhn ist sehr gut an das kalte Klima der alpinen Zone angepasst. An warmen Tagen hecheln Schneehühner oft im Schatten oder legen sich auf feuchten Sand oder sogar in fliessendes Wasser.

Daraus ergibt sich die Frage, ob das Alpenschneehuhn eine der wenigen Vogelarten sein könnte, die direkt von der Umgebungstemperatur abhängig ist und warme Aufenthaltsorte meidet, was wiederum die vorausgesagte Schrumpfung des Verbreitungsgebiets infolge der Klimaerwärmung erklären würde.

Vorgehen

In einer ersten Studie wurde untersucht, ob sich die Beobachtungsorte, von denen Alpenschneehühner in der Schweiz gemeldet wurden, von 1984 bis 2012 in höhere Lagen verschoben haben.

In einer zweiten Studie wurde das Mikroklima der Aufenthaltsorte telemetrierter Alpenschneehühner im Sommer in der Haute-Savoie charakterisiert. Es soll gezeigt werden, ob sich die Aufenthaltsorte des Alpenschneehuhns im Sommer zwischen warmen und kühlen Tagen hinsichtlich ihres Mikroklimas (Temperatur, Wind, Sonneneinstrahlung) unterscheiden, und ob es Unterschiede zwischen dem Mikroklima an den Aufenthaltsorten und an benachbarten Kontrollpunkten gibt.

In einer dritten Studie haben wir Bestandsaufnahmen auf 40 Flächen ausgewertet, die im Auftrag des BAFU vom Ökobüro KBP (Res Isler) mit fachlicher Begleitung durch die Vogelwarte organisiert werden; im Kanton Graubünden werden die Zählungen vom Amt für Jagd und Fischerei des Kantons Graubünden durchgeführt.

Bedeutung

Die Studie ist ein Beitrag zur Klärung, ob und wie stark das Alpenschneehuhn abnimmt, und welche Rückzugsgebiete für Alpenschneehühner bei zunehmender Klimaerwärmung tauglich sind und damit für Ruhezonen oder Reservate in Frage kommen.

Ergebnisse

Über die letzten 29 Jahre (von 1984 bis 2012) waren Verschiebungen in höhere Lagen je nach Region unterschiedlich. In den Ost- und Südalpen der Schweiz wurden Schneehühner in zunehmend höheren Lagen beobachtet mit einer Höhenveränderung von 6,4–9,4 Meter pro Jahr über 3 Jahrzehnte. Dies konnte nicht mit dem Wetter erklärt werden. In den Nordalpen war die Höhenverschiebung gering (1,5–3,2 m pro Jahr) und in den Westalpen kaum erkennbar. Die Höhenverschiebung in den Ost- und Südalpen gehört zu den raschesten unter den Tieren und Pflanzen in den Alpen und könnte mit dem Höhersteigen der Waldgrenze und der Wiederbewaldung in den höheren Lagen zusammenhängen. Das Höhersteigen ist verbunden mit einer Reduktion des Verbreitungsgebietes dieser auf die Alpen beschränkten Unterart des Alpenschneehuhns.

Alpenschneehühner suchen bei schönem Sommerwetter bevorzugt windgeschützte und schattige Ort auf.

Über 18 Untersuchungsjahre war die Populationswachstumsrate (gemessen an den territorialen Hähnen) über alle Zählgebiete negativ (-13 %), variierte aber stark zwischen Regionen (von -50 % bis +6 %) und Zählgebieten. In manchen Zählgebieten nahm der Bestand stark ab, während er in anderen eher zunahm. Über alle Zählgebiete, aber auch innerhalb der Regionen ergaben sich kaum Hinweise auf Synchronie in den Populationswachstumsraten der Zählgebiete. Wir fanden keinen Umweltfaktor, der die Variation in der Populationswachstumsrate erklärte, mit Ausnahme eines kurvilinearen Effekts der mittleren Juli-Temperatur. Es scheint somit, dass verschiedene Umweltfaktoren auf lokaler Ebene in unterschiedlicher Stärke auf die Bestandsentwicklung wirken, wie z.B. das Höhersteigen der Baumgrenze, widriges Wetter und lokal vielleicht auch die Zunahme des Winter- und Sommertourismus und nicht nachhaltige Jagd. Der hier beobachtete Rückgang des Alpenschneehuhns zusammen mit dem aufgrund der Klimaerwärmung vorausgesagten Schrumpfen des Verbreitungsgebietes ist beunruhigend. Es ist deshalb wichtig, die Gründe für den Bestandsrückgang besser zu verstehen und daraus verschiedene Managementstrategien für die Erhaltung des Alpenschneehuhns in der Schweiz zu entwickeln.

Projektleitung

Lukas Jenni und Christian Marti

Partner

Jean-François Desmet, Groupe de Recherches et d’Information sur la Faune des Ecosystèmes de Montagne GRIFEM
Ökobüro KBP und Amt für Jagd und Fischerei des Kantons Graubünden

Publikationen

Furrer, R., M. Schaub, A. Bossert, R. Isler, H. Jenny, T. Jonas, C. Marti & L. Jenni (2016):
Variable decline of Alpine Rock Ptarmigan (Lagopus muta Helvetica) in Switzerland between regions and sites.
Visinoni, L., C. A. Pernollet, J.-F. Desmet, F. Korner-Nievergelt & L. Jenni (2015):
Microclimate and microhabitat selection by the Alpine Rock Ptarmigan (Lagopus muta helvetica) during summer.