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Jenni-Eiermann, S., B. Almasi, C. Müller, B. Schmid, A. Roulin & L. Jenni (2014)

Die Modulation der Stressantwort bei Vögeln und ihre Bedeutung für den Naturschutz.

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Ornithol. Beob.111: 107–120

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susi.jenni@vogelwarte.ch

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Zusammenfassung

Sobald ein Vogel eine Bedrohung wahrnimmt, reagiert er mit der Aktivierung der hormonalen Stressachse (die sogenannte adrenocorticale Stressantwort). Dabei wird vom Hypothalamus ausgehend eine Kaskade von Hormonen freigesetzt, die bewirkt, dass zuletzt das Stresshormon Corticosteron, das vorherrschende Glukokortikoid bei Vögeln, aus der Nebennierenrinde in hohen Konzentrationen ins Blut ausgeschüttet wird. Corticosteronkonzentrationen, die ein Mehrfaches des Basalwertes betragen, lösen dann physiologische Veränderungen und Verhaltensreaktionen aus, die das Überleben in Gefahrensituationen sichern sollen. Dazu wird Energie aus körpereigenen Reserven mobilisiert, und die Fortpflanzung sowie die Immunabwehr werden unterdrückt. Ist die Gefahr vorüber, kehren die Corticosteronwerte auf ihr Basisniveau zurück. Auf diese Weise kann der Vogel zwar sein Leben retten, er muss aber auch Kosten in Kauf nehmen, wie zum Beispiel erhöhten Energieverbrauch oder den Verlust einer Brut. Bei Gefahr muss der Vogel daher abwägen, ob die Aktivierung der Stressachse einen Fitnessvorteil bringt. Nicht immer ist eine scheinbare Gefahr tatsächlich lebensbedrohlich, und mancher Reiz kann situationsbedingt unterschiedlich bewertet werden.
Wir stellen drei Studien vor, in denen untersucht wurde, in welchem Kontext Faktoren die Stressachse aktivieren und welche Auswirkung eine solche situationsbedingte Aktivierung für das Individuum hat. Bei Turmfalkennestlingen Falco tinnunculus konnten wir eine Abhängigkeit der Stressantwort von den Fettreserven feststellen. Magere Nestlinge zeigten nur eine gedämpfte Stressantwort, da sie offenbar ihre Energie vermehrt ins Wachstum investierten. Wiedehopfeltern Upupa epops aktivierten ihre Stressachse je nach dem Wert der laufenden Brut. Früh in der Saison, wenn sie noch eine Chance für eine Ersatzbrut hatten, zeigten sie eine hohe Stressantwort, was bedeutet, dass sie bei Gefahr ihre Brut eher aufgeben würden. Umgekehrt verhielt es sich spät in der Saison: Dann zeigten die Wiedehopfeltern eine gedämpfte Stressantwort und waren somit bereit, mehr in ihre Brut zu investieren. Die dritte Studie zeigte eine genetisch unterschiedlich regulierte Stressantwort. Unterschiedlich gefärbte Schleiereulen Tyto alba, die kleingepunkteten bzw. grossgepunkteten Individuen, zeigten bei Stress verschieden starke Stressantworten, was sich vermutlich auf ihre Fitness auswirkt. Erstaunlicherweise können sich trotzdem verschiedene Färbungen in der Population halten. Das wird damit erklärt, dass je nach Umweltbedingung eine hohe oder eine tiefe Stressantwort von Vorteil ist. Je nach Nahrungsverfügbarkeit profitieren in einem Jahr die kleingepunkteten, in einem anderen Jahr die grossgepunkteten Schleiereulen. Das Verständnis der Variation der Stressachse hilft, Naturschutzfragen besser anzugehen. So kann man anhand der Corticosteronkonzentration erkennen, ob ein Vogel in einem Habitat tatsächlich gestört ist oder ob er fähig ist, sich an neue Bedingungen anzupassen. So wurde belegt, dass Schleiereulen, die eine geringe Stressantwort zeigen, begünstigt wurden und über die Jahre anteilmässig zugenommen haben. Die Messung von Stresshormonen bietet daher ein wertvolles Instrument im Naturschutz.

Abstract

During threatening situations birds react with the activation of the hypothalamo-pituitary-adrenal axis (HPA-axis). Corticosterone, the main glucocorticoid in birds, is released from the adrenal cortex into the circulation in high concentrations and delivered to the organs. There corticosterone triggers metabolic and behavioural changes which help to overcome the dangerous situation and to restore homeostasis. This activation implies costs: reproductive activities and immunity are suppressed and energy stores are mobilized. Therefore a bird has to balance its stress response in a way that the benefits outweigh the costs.
We present 3 studies investigating the questions (1) which factors can affect the activation of the HPA-axis and (2) whether the variation of the stress response shows a long-term effect. The first study investigated the interaction between fat reserves and stress response of nestlings of the Common Kestrel Falco tinnunculus. Nestlings without fat reserves had an elevated baseline corticosterone level and a dampened stress response indicating a stressful state. The second study investigated whether the stress response of Eurasian Hoopoes Upupa epops depended on the brood value. Hoopoe parents during the first of two annual broods or with an early single brood showed a higher stress response than parents with the second brood or breeding late in the season. The results confirmed the brood-value-hypothesis postulating that parents with the chance for a second brood invest more in their own survival than parents with only a small chance for a future brood, which invest more into the current brood. The third study showed that the activation of the HPA-axis is genetically regulated. Small-spotted Barn Owls Tyto alba reacted with a higher stress response than large spotted Barn Owls. Depending on the environmental conditions the different stress response was advantageous for one of the two colour variants. Finally the role of corticosterone measurement as a tool in conservation biology is discussed. It offers a measure to identify stressors which would otherwise not have been detected. It also offers a measure to identify the ability of an individual to cope with stress and whether in the long-term a stressor might have a selective effect.