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Eine vielfältige Landschaft mit verschiedenen Elementen wie Trockenmauern, extensiven Reben, Hecken, Einzelbäumen und Waldrändern bietet dem Wendehals einen optimalen Lebensraum.

News - Hintergrund

Ein Ameisenfeinschmecker auf Lebensraumsuche

April 2024

Mit welchen Fördermassnahmen lässt sich der Wendehals wiederansiedeln? Neue Erkenntnisse sollen die Förderung des Wendehalses verbessern.

Der Wendehals besiedelt in der Schweiz verschiedene Lebensräume, kommt aber trotz seiner weiten Verbreitung meist nur in geringen Dichten vor. Grössere und zusammenhängende Bestände beschränken sich auf Gebiete um den Genfersee, den westlichen Teil des Jurasüdfusses, das Tessin, die grossen Alpentäler, sowie die Schaffhauser Rebbaugebiete. Der Wendehals ernährt sich fast ausschliesslich von Ameisen sowie deren Larven und Puppen. Die Ameisennester müssen für den Wendehals gut zugänglich sein. Als Höhlenbrüter, der seine Höhlen nicht selbst anfertigt, ist er zudem auf ein ausreichendes Angebot von Bruthöhlen angewiesen. Forschungsprojekte aus der Westschweiz haben gezeigt, dass eine hohe Dichte von Ameisen und ihren Nestern, offene Bodenstellen und eine ausreichende Verfügbarkeit von Bruthöhlen die drei wichtigsten Kriterien sind, nach denen der Wendehals sein Brutrevier auswählt.

Auf diesen Grundlagen aufbauend hat die Vogelwarte zusammen mit BirdLife Schweiz im Jahr 2016 ein neues Förderprojekt lanciert. Dabei sollen das Verbreitungsgebiet des Wendehalses von der Westschweiz entlang des Jurasüdfusses gegen Osten erweitert und isolierte Bestände miteinander vernetzt werden. In einem ersten Schritt wurden geeignete Lebensräume wie Rebberge, extensiv bewirtschaftete Wiesen und Weiden sowie angrenzende lichte Wälder identifiziert. Mit der Unterstützung von lokalen BirdLife-Sektionen wurden diese Gebiete dann mit über vierhundert Nisthilfen ausgestattet, die beim Wendehals als eine erfolgreiche Fördermassnahme erprobt sind. Trotz regelmässiger Überwachung zur Brutzeit wurden bis 2018 leider keine neuen Ansiedlungen festgestellt.

Welche Faktoren bestimmen über Ansiedlung und Brut?

Von 2019 bis 2021 wurde deshalb entlang des Jurasüdfusses mit einer neuen Massnahme getestet, ob sich der Wendehals mit Klangattrappen anlocken und zur Ansiedlung anregen lässt. Gleichzeitig wurden die Vorkommen und Dichten der Ameisen erhoben.

Als Nahrung sind für den Wendehals Ameisen ab ca. 3 mm Grösse interessant. Wiesenameisen, insbesondere die Schwarze und die Gelbe Wiesenameise (Lasius niger und L. flavus), wurden im Projektgebiet am häufigsten festgestellt. Weil deren Arbeiterinnen 3 bis 5 mm messen, machen sie hier wohl den wichtigsten Teil der Wendehalsnahrung aus. Die Dichte der Ameisen und ihrer Nester unterschieden sich je nach Lebensraum. Auf den mosaikartig angelegten Rebflächen, die viel offenen Boden aufweisen und sich vorwiegend sonnenbeschienenen Lagen befinden, stellten wir die höchsten Dichten fest. Etwas geringer waren sie in extensiv bewirtschafteten Wiesen und Weiden, am niedrigsten waren sie auf intensiv bewirtschafteten Wiesen und Weiden. Wie vermutet, hielten sich Wendehälse bevorzugt in Gebieten mit einer hohen Ameisendichte auf. Dies stellten wir sowohl in der Zeit fest, in der sie sich auf Reviersuche befanden (April bis Mitte Mai), als auch während der Brutzeit (Mitte Mai bis Anfang Juli).

Das Abspielen von Wendehalsrufen mit Klangattrappen (fünfmal pro 24 Stunden, für je eine Minute) hatte während der Reviersuche einen positiven Effekt auf das Auftreten von Individuen – jedoch nur auf Flächen mit geringer, aber nicht auf solchen mit hoher Ameisendichte. Gar keinen Einfluss hatte das Abspielen darauf, ob sich ein Wendehals zum Brüten niederlässt. Diese Ergebnisse zeigen, dass sowohl soziale Faktoren als auch Lebensraumeigenschaften für die Gebietswahl wichtig sind. Wendehälse lassen sich also während der Reviersuche mit Klangattrappen bis zu einem bestimmten Mass anlocken. Die Entscheidung, in welchen Gebieten sich ein Wendehals dann zum Brüten ansiedelt, hängt aber hauptsächlich von der Qualität des Lebensraums ab.

Erkenntnisse für die Förderung des Wendehalses

Seit rund 20 Jahren engagieren sich Vogelschützerinnen und Vogelschützer, Vereine und Kantone in verschiedenen Regionen für die Förderung des Wendehalses. Neben grossflächigen Massnahmen wie der Erhöhung von Strukturvielfalt und der Umstellung auf extensivere Bewirtschaftung können gerade für Ameisen auch kleinräumige Aufwertungen zu einer erfolgreichen Förderung beitragen. Dazu gehören der Erhalt und das Anlegen von mosaikartig verteilten und strukturreichen Lebensraumbausteinen. Eine zeitlich gestaffelte Mahd, das Aufrauen oder oberflächige Aufbrechen von Bodenstellen im Spätwinter oder das Stehenlassen der Vegetation während der Brutzeit sind weitere Elemente einer ameisenfreundlichen Bewirtschaftung. Klangattrappen können je nach Situation unterstützend wirken. Die Fördermassnahmen müssen aber hauptsächlich auf die Qualität der Lebensräume abzielen, weil sie für die Ansiedlung und insbesondere für erfolgreiche Bruten entscheidender sind.

Die Förderung des Wendehalses braucht zudem Geduld, wie die Erfahrung aus verschiedenen Projekten zeigt. Zwischen ersten Massnahmen und einer positiven Auswirkung auf den Wendehalsbestand vergehen oft mehrere Jahre. Bestehende Projekte sollen deshalb weitergeführt werden und nach Möglichkeit die genannten Erkenntnisse für die Förderung aufnehmen. Dieses Engagement ist für den Erhalt der Art bedeutend. Nur so wird das Quäken dieses Ameisenspezialisten wieder häufiger zu hören sein.

Im Beitrag erwähnte Vogelarten

Vogelarten
Wendehals
Der wärmeliebende Wendehals mit dem ausgezeichneten Tarngefieder ist in mehrfacher Hinsicht einzigartig: Obschon er zu den Spechten gehört, zimmert er keine eigene Bruthöhle, sondern übernimmt eine Baumhöhle oder einen Nistkasten. Auch dass der Wendehals aufrecht auf Ästen sitzt und gelegentlich ...
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