Nach 30-minütiger Wartezeit meldet sich der UHF-Empfänger endlich mit einem leisen Piepssignal, das sogleich stärker wird. Und dann endlich erspähen wir den jungen, besenderten Steinadler, wie er über die Kuppe des angrenzenden Berges gleitet. Mit Spektiv und Feldstecher ausgerüstet versuchen wir, sein Verhalten so präzise wie möglich zu beschreiben und digital festzuhalten. Die Krux dabei ist, den Adler nicht aus den Augen zu verlieren, denn so schnell wie er gekommen ist, so schnell kann er auch wieder hinter dem nächsten Berg verschwunden sein.
Diese Beobachtungen helfen uns, das Verhalten der Jungadler besser zu verstehen. Der Sender, der wie ein Rucksack auf dem Rücken des Vogels befestigt ist, zeichnet nicht nur die genauen Aufenthaltsorte auf, sondern auch Daten, die Aufschluss auf die Körperposition und Bewegung der Tiere liefern. Je nach Verhalten verändert sich das Aufzeichnungsmuster der Daten. Will man nun diese Muster dem entsprechenden Verhalten zuordnen, muss man sie mit Beobachtungen abgleichen, die zur exakt gleichen Zeit im Feld aufgenommen wurden. Relativ einfach erkennbare Verhaltensweisen sind etwa «Fressen », «Flügelschlagen», «Gleitflug » oder «Betteln». Um ein möglichst breites Verhaltensspektrum zu erfassen, ist unser Team seit Anfang April fast täglich den besenderten Jungspunden im ganzen Bündnerland auf den Fersen. Doch das ist leichter gesagt als getan. Denn nachdem die Jungadler das elterliche Revier verlassen haben, können sie während ihrer Lehr- und Wanderjahre Strecken von täglich 130 km zurücklegen. Zudem sind Jungadler oft auch nicht alleine unterwegs, sondern mit zwei, drei, teilweise sogar bis zu sechs anderen Jungadlern im gleichen Gebiet. Wir vermuten, dass der dicht besiedelte Raum voller Reviere ein Grund dafür ist. Jungadler werden von ansässigen Paaren heftig vertrieben, wenn sie in besetzte Reviere fliegen. Es bleibt nicht viel Platz, und dieser muss oft mit anderen Jungadlern getden.
Wir untersuchen ausserdem das Verhalten der Jungadler, solange sie noch im elterlichen Revier verweilen und erheben die Aktivität und Dichte der Steinadler im gesamten Grossraum Engadin und Davos. Damit möchten wir die Hintergründe zur Verteilung der Jungadler im Alpenraum besser verstehen.