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News - Medienmitteilung

Waldgeist mit dem weissesten Weiss

04. Juli 2023

Die Waldschnepfe lebt heimlich und ist hauptsächlich nachtaktiv. Als regelrechter «Waldgeist» bekommt man sie kaum zu Gesicht. Umso erstaunlicher ist, dass ihre weissen Schwanzfedern das Restlicht so stark reflektieren, wie sonst keine andere Vogelfeder.

Sempach. – Sie ist nachtaktiv und lebt äusserst zurückgezogen in feuchten Wäldern: die Waldschnepfe. Als «Waldgeist» ist sie kaum je zu beobachten, meist entdeckt man sie nur beim Aufscheuchen von einem Wanderweg und sieht gerade noch einen taubengrossen, braungesprenkelten Vogel davonfliegen.

Einzig während der Balzzeit kann man die Waldschnepfe etwas einfacher feststellen, wenn die Männchen auf gemeinsamen Plätzen beim sogenannten «Schnepfenstrich» um die Weibchen buhlen. Um auch im Mondlicht für potenzielle Partner sichtbar zu sein, präsentieren dann sowohl Männchen als auch Weibchen ihre weissen Schwanzspitzen. Ein Forschungsteam unter Beteiligung des Federspezialisten und ehemaligen Wissenschaftlichen Leiters der Schweizerischen Vogelwarte Lukas Jenni konnte nun eine Besonderheit zeigen: Die Schwanzspitzen der Waldschnepfe reflektieren aufgrund ihrer Struktur so viel Licht wie keine andere Feder. Sie stellen somit das weisseste Weiss der gesamten Vogelwelt dar.

Die Waldschnepfe zeigt exemplarisch, wie viele faszinierende Dinge es auch in unserer einheimischen Vogelwelt noch zu entdecken gibt. Dabei ist die Waldschnepfe bei uns bedroht. Auf der Roten Liste wird sie als verletzlich geführt, zudem ist sie eine Prioritätsart für die Artenförderung. In den letzten 30 Jahren ist sie praktisch vollständig aus tiefergelegenen Regionen verschwunden, in höheren Lagen ist der Bestand noch stabil. Mögliche Gründe dafür sind etwa die Verdichtung der Wälder oder Störungen.

Ausserdem ist die Waldschnepfe in der Schweiz immer noch jagdbar. Den geschätzten 1000–4000 Männchen der Schweizer Brutpopulation stehen 1500–2500 Waldschnepfen gegenüber, die jeden Herbst geschossen werden. Selbst wenn es sich wohl hauptsächlich um durchziehende Vögel aus Nord- und Osteuropa handelt: Auch in der Schweiz müssen für den Erhalt dieser Art neben Lebensraumaufwertungen auch Einschränkungen der Jagd umgesetzt werden. Zur Diskussion stehen beispielsweise eine Ausdehnung der Schonzeit bis Mitte November oder niedrigere Abschussquoten. Dann werden wir auch in Zukunft das weisseste Weiss der Vogelwelt in unserem Land bewundern können – sofern sich der scheue Waldgeist denn zeigen will.

Quellen

Dunning, J., A. Patil, L. D’Alba, A. L. Bond, G. Debruyn, A. Dhinojwala, M. Shawkey & L. Jenni (2023): How woodcocks produce the most brilliant white plumage patches among the birds. Journal of the Royal Society, Interface 20: 20220920. https://doi.org/10.1098/rsif.2022.0920.

Bohnenstengel, T., V. Rocheteau, M. Delmas, N. Vial, E. Rey, B. Homberger & Y. Gonseth (2020): Projet national sur la Bécasse des bois. Rapport final. Info fauna, Neuchâtel (nur auf französisch).

Im Beitrag erwähnte Vogelarten

Vogelarten
Waldschnepfe
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