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Der Bestand des Grauspechts ist weiter deutlich zurückgegangen, ebenso gibt es Arealverluste seit 1993–1996. Aufgrund des kleinen Bestands und des starken Rückgangs gilt der Grauspecht neu als stark gefährdet (2010: verletzlich).

News - Hintergrund

Neue Rote Liste zeigt alte Probleme

August 2021

Nach 2010 hat die Vogelwarte die Rote Liste der gefährdeten Brutvogelarten der Schweiz im Auftrag des Bundesamts für Umwelt BAFU revidiert. 40 % der 205 beurteilten Vogelarten wurden auf die Rote Liste gesetzt.

Rote Listen sind ein bewährtes Mittel im Naturschutz und dienen als eine Art «Warninstrument ». Je höher eine Art klassiert ist, desto näher steht diese Art dem Aussterben und desto grössere Probleme hat sie normalerweise. Das kann ein deutlicher Bestandsrückgang oder eine tiefe Bestandsgrösse sein. Wenn eine Art einmal auf der Roten Liste steht, wird es aufwändig, sie so zu fördern, dass sie daraus wieder entlassen werden kann. Daher gibt es mit den «potenziell gefährdeten » Arten eine Vorwarnliste: Diesen Arten kann mit Schutz- und Fördermassnahmen bereits früher, meist mit geringerem Aufwand und besseren Chancen geholfen werden, so dass sie nicht höher klassiert werden müssen.

Die Roten Listen der gefährdeten Brutvogelarten der Schweiz werden seit 2000 nach den Kriterien und Richtlinien der Weltnaturschutzunion (International Union for Conservation of Nature IUCN) erarbeitet. Die Vogelwarte hat nun die Rote Liste aktualisiert. Sie ersetzt die im Jahr 2010 publizierte Liste.

Für die neue Liste wurden die Daten bis 2019 verwendet, wobei die Grundlagen für die Aktualisierung deutlich besser waren als noch vor zehn Jahren. Das liegt vor allem an den Daten aus dem «Schweizer Brutvogelatlas 2013–2016». Aber auch die Überwachungsprojekte und Auswertemethoden für einzelne Arten wurden weiter verbessert.

Immer noch 40 % der Arten gefährdet

Seit 2010 sind sechs Brutvogelarten neu evaluiert worden: Moorente, Silberreiher, Mornellregenpfeifer, Schlangenadler, Zistensänger und Weissbartgrasmücke. Sie werden heute nicht mehr als ausnahmsweise brütend (mit höchstens drei Brutnachweisen) taxiert. Von den 205 Vogelarten wurden 60 % nicht der Roten Liste der gefährdeten Brutvogelarten zugeordnet. Davon sind 41 Arten (20 %) der Kategorie potenziell gefährdet und 80 Arten der Kategorie nicht gefährdet zugewiesen. 83 Arten (40 %) wurden auf die Rote Liste der gefährdeten Brutvogelarten gesetzt – gleich viele wie 2010. Davon war ein Drittel in der Schweiz aber immer selten. Betrachtet man den Anteil der Vogelarten der Roten Liste nach Lebensräumen, ist der Anteil der gefährdeten Arten im Kulturland und in den Feuchtgebieten deutlich höher als im Wald oder in alpinen Lebensräumen. Das weist auf akute Probleme für die Bewohner der Landwirtschafts- und der Feuchtgebiete hin und auch darauf, dass der Wald dank dem naturnahen Waldbau, dem gestiegenen Totholzanteil und dem Flächenschutz eine relativ gute ökologische Qualität hat.

Mehrere Arten mit höherer Gefährdung seit 2010

Bei 42 der 205 Arten (20 %) änderte sich die Einstufung gegenüber 2010. 25 Arten wurden in eine höhere Kategorie eingestuft (d.h. ihr Status hat sich verschlechtert). Bei 20 der 25 Arten basiert die neue Kategorie auf einem Bestandsrückgang. Besonders auffällig ist dies bei der Wachtel, die 2010 noch als nicht gefährdet eingestuft war. Auch bei der Turteltaube ist der Rückgang so stark, dass sie im Vergleich zu 2010 gleich um zwei Kategorien höher eingestuft werden musste. Grauspecht, Neuntöter, Feldlerche, Gelbspötter, Rauchschwalbe, Gartengrasmücke, Grauschnäpper und Grauammer zeigten bereits 2010 Rückgänge. Besonders die ungebremst negative Bestandsentwicklung der früher allgegenwärtigen Feldlerche ist besorgniserregend. Die meisten dieser Arten bewohnen strukturreiches Kulturland und leiden unter anderem an der immer intensiveren landwirtschaftlichen Nutzung. Und die Intensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung erfasst mehr und mehr auch die mittleren und höheren Lagen. So werden nährstoffarme Wiesen seltener und der erste Grasschnitt erfolgt immer früher.

Auch einige Waldvögel haben Probleme, wie fünf Arten mit einer höheren Einstufung seit 2010 illustrieren: Raufusskauz, Habicht, Grauspecht, Gartengrasmücke und Zitronenzeisig. Bei diesen Arten spielen unter anderem das Fällen von Höhlenbäumen und Altholzbeständen, immer mehr Forstarbeiten zur Brutzeit, die Abnahme lichter oder beweideter Wälder sowie die Eutrophierung der Waldböden eine wichtige Rolle. Bei den Feuchtgebietsbewohnern macht besonders der Rückgang des Haubentauchers Sorge. Bei den alpinen Lebensräumen ist vor allem der Bestandsrückgang des Schneesperlings bedenklich, denn die Schweiz beherbergt rund 15 % des europäischen Bestands!

Die 17 Arten, die tiefer eingestuft werden konnten, lassen sich in drei Gruppen einteilen: Fünf Arten zeigen eine klare Bestandszunahme (Gänsesäger, Waldohreule, Uhu, Bienenfresser, Dohle). Bei sieben Arten hat sich der Rückgang verlangsamt oder ist der Trend leicht positiv, der Bestand aber nach wie vor klein. Darunter sind Arten wie der Kiebitz, für den intensive Fördermassnahmen laufen, oder Zwergtaucher und Rohrammer, die aber stark auf Pflegemassnahmen angewiesen sind. Bei fünf Arten ist die tiefere Einstufung auf die verminderte Gefährdung in Europa zurückzuführen (z. B. Weissstorch, Steinadler).

Externe Einflüsse können rasch dazu führen, dass die Gefährdung von Arten zunimmt, wie das Beispiel des Wanderfalken zeigt. Er war 2010 noch als potenziell gefährdet eingestuft worden, gilt nun aber als verletzlich. Dieser Art setzen vor allem illegale Verfolgung und zunehmende Störungen an den Brutplätzen zu.

Wie die differenzierte Analyse der Listen von 2010 und 2021 zeigt, hat sich die Gefährdungssituation der Brutvögel insgesamt weiter verschlechtert. Betroffen sind insbesondere Arten der Landwirtschafts- und Feuchtgebiete. Auch der Vergleich der Roten Liste mit den Nachbarländern weist auf die vergleichsweise starke Gefährdungssituation der Schweizer Brutvögel in diesen Gebieten hin.

Immer mehr potenziell gefährdete Arten seit 2001

Der Anteil der Arten auf der Roten Liste hat sich von 2001 über 2010 und bis 2021 mit 40 % insgesamt nicht verändert. Deutlich gestiegen zwischen 2001 und 2021 ist der Anteil der potenziell gefährdeten Arten, nämlich von 12 % auf 20 %, was auf den Rückgang ihrer Bestände zurückzuführen ist. Die Gefährdung der Schweizer Brutvögel hat somit leicht zugenommen. Der Handlungsbedarf bleibt also gross. Die wichtigsten Punkte hat die Vogelwarte nach der Publikation des Brutvogelatlas 2013–2016 im so genannten 11-Punkte-Plan («Der Brutvogelatlas als Auftrag – Handlungsbedarf in 11 Punkten ») zusammengestellt. Dank gezielter Förderung steigen die Bestände bedrohter Arten wie Kiebitz, Wiedehopf und Steinkauz wieder an. Die Vogelwarte und ihre Partnerorganisationen beweisen tagtäglich, dass diese Naturschutzarbeit nötig und wirksam ist.

Rote Liste

Die Rote Liste 2021 kann ab Herbst in drei Sprachen von der BAFU-Homepage heruntergeladen werden: www.bafu.admin.ch/rotelisten; es gibt keine gedruckte Fassung. Die Vogelwarte wird zudem einen Hintergrundbericht (auf Deutsch) mit der artweisen Begründung der Einstufung zusammenstellen: www.vogelwarte.ch/de/projekte/lagebeurteilung/lagebeurteilung-vogel-schweiz.

Knaus, P., S. Antoniazza, V. Keller, T. Sattler, H. Schmid & N. Strebel (im Druck): Rote Liste Brutvögel. Gefährdete Arten der Schweiz, Stand 2021. Bundesamt für Umwelt, Bern, und Schweizerische Vogelwarte, Sempach.