Das Ressort Vogelzugforschung der Vogelwarte hat zur Klärung der Wissenslücken neue Forschungsprojekte zur Thematik gestartet. Dabei greifen wir auf die seit Jahrzehnten etablierte Expertise der Vogelwarte in der Nutzung von Radartechnik zurück. Mittels Radar kann der ansonsten weitgehend unsichtbare Nachtzug in Höhen von über 1000 m über dem Boden sichtbar gemacht werden. Die von der Vogelwarte mitentwickelten «BirdScan»-Radargeräte messen während der Zugphasen rund um die Uhr Echos, die mit hoher Wahrscheinlichkeit Vögeln zuzuordnen sind. Aus den Echos können wir Anzahl, Höhe und Richtung überfliegender Vögel errechnen und ihre Fluggeschwindigkeit abschätzen. So können wir während einer Zugperiode die Bewegungen von Tausenden Vögeln untersuchen.
Neuerdings nutzen wir die «BirdScan»-Radargeräte, um den Einfluss von Lichtverschmutzung auf Zugbewegungen zu messen. Dazu wollen wir nachts erleuchtete Gebiete mit dunklen vergleichen, um den Vogelzug in Zusammenhang zu lokaler Lichtverschmutzung zu setzen. Die Küste der kroatischen Adria ist dafür eine besonders geeignete Region. Während des Frühjahrszugs fliegen Zugvögel über die dunkle Adria die Küste an, die in Kroatien sehr unterschiedlich hell beleuchtet ist. Viele Gegenden sind nachts noch weitgehend dunkel, während vor allem städtische Gebiete deutlich lichtverschmutzt sind. Dieser starke Hell-Dunkel-Kontrast macht die Küstenregion ideal, um die Grundlagen der Reaktion von Zugvögeln auf Lichtverschmutzung zu erforschen.
Für den Frühjahrszug 2023 installierten wir dort mithilfe unserer kroatischen Projektpartner erstmals BirdScans. Jeweils an einem hellen und einem benachbarten dunklen Standort in Istrien und Dalmatien zeichneten die BirdScans den Frühjahrszug auf. Die automatische Registrierung ist mittlerweile abgeschlossen, doch die eigentliche Hauptarbeit steht erst an: Anhand der Echodaten werden wir nun errechnen, inwiefern sich der Zug zwischen hellen und dunklen Standorten unterscheidet. Wir erwarten, dass die Vögel bei Lichtverschmutzung weniger gerichtet und langsamer fliegen, und vielleicht ihre Zughöhe variieren. Wenn das Licht die Vögel im Anflug auf die Küste anzieht, sollten auch mehr Vögel über den Städten registriert werden. Flankiert werden unsere Aufzeichnungen von akustischen Aufnahmen, anhand deren einige Arten identifiziert werden könnten. Ausserdem können wir so auch testen, ob Vögel über Städten mehr rufen. Schliesslich sammeln wir auch Daten von Wetterradargeräten, um Flugmuster auf grösserer Skala untersuchen zu können. Die Analysen sind Teil einer Doktorarbeit in Zusammenarbeit mit dem geographischen Institut der Universität Zürich.
Nach Abschluss dieser ersten Projektphase hoffen wir, in Kroatien gezielt mit Lichteigenschaften experimentieren zu können, um herauszufinden, wie sich Auswirkungen auf die Zugvögel abmildern lassen. Langfristig könnten die von uns etablierten Methoden auch in der Schweiz angewandt werden, und beispielsweise Zugbewegungen über Städten mit Vogelzug über umgebenden dunkleren Regionen verglichen werden.