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News - Hintergrund

Lichtverschmutzung verstehen und vermindern

August 2023

Licht und Dunkel wechseln sich in der Natur rhythmisch ab. Ihr Wechsel formt viele Lebensprozesse, die durch Kunstlicht in der Nacht gestört werden. Die Vogelwarte erforscht die vielfältigen Folgen von Lichtverschmutzung, etwa auf den Vogelzug.

Seit es Leben auf der Erde gibt, kommt Licht fast ausschliesslich von Himmelskörpern wie Sonne, Mond und Sternen. Lebewesen konnten sich daher über Jahrmillionen auf den präzisen, rhythmischen Wechsel von Licht und Dunkel einstellen. Vögel stellen zum Beispiel durch Lichtmessung ihre inneren Jahres- und Tagesuhren und nutzen nachts Sternenlicht zur Navigation auf ihren Zugwegen. Auch ihre Nahrung und ihre Fressfeinde haben sich auf den Tag-Nacht-Wechsel eingestellt, so dass Lebensgemeinschaften aufeinander eingetaktet sind.

Was ist Lichtverschmutzung und was ist das Problem?

Durch die in jüngster Zeit rasante Ausbreitung von künstlichem Licht in der Nacht kommt dieser eingespielte Rhythmus durcheinander. Künstliches Licht, das Lebensprozesse und Aktivitäten stört, wird als Lichtverschmutzung bezeichnet. Die Auswirkungen künstlichen Lichts sind vielfältig: Viele Vogelarten sind an erleuchteten Orten nachts aktiv, Nahrungsketten und physiologische Prozesse wandeln sich und Tages- und Jahresrhythmen werden verschoben. Vögel, die vom Licht angezogen oder geblendet werden, haben ein hohes Kollisionsrisiko. Die Lichtverschmutzung trägt auch deutlich zum Rückgang von Insekten bei, was wiederum auch für viele Vogelarten negative Folgen hat.

Forschung und Information an der Vogelwarte

Im Gegensatz zu vielen anderen Verschmutzungsarten sind Probleme durch Kunstlicht prinzipiell schnell zu lösen: Es leuchtet nur so lange, wie wir aktiv mit Strom Licht erzeugen. Sobald kein Strom mehr fliesst, gibt es auch keine Lichtverschmutzung mehr. Allerdings verlangt die Entscheidung, welche Lichter nachts leuchten, eine Abwägung zwischen diversen Interessen. Dabei werden Vorteile der natürlichen Dunkelheit für Mensch und Natur mit unseren Sicherheitsbedenken oder dem Wunsch nach privater oder kommerzieller Nutzung von nächtlichem Licht abgewogen.

Die Vogelwarte engagiert sich mit Forschung und Förderung für eine Minderung der Folgen von Lichtverschmutzung. Durch Analyse von Kollisionsopfern versucht sie zu ermitteln, worin die grössten Risiken bestehen. Forschungsprojekte zu dunkelaktiven Arten wie Eulen und von nächtlichen Aktivitäten, insbesondere zum Vogelzug, sollen klären, wie Vögel in ihrem Verhalten und ihrer Physiologie auf den Verlust der Nacht reagieren. Basierend auf Forschungserkenntnissen trägt die Vogelwarte durch Informationen, Beratungsgespräche und die Formulierung von Empfehlungen zur Sensibilisierung der Bevölkerung und zur Verminderung der Lichtverschmutzung bei.

Forschungsschwerpunkt Vogelzug

Die meisten Zugvogelarten ziehen nachts und bewegen sich überregional durch vielfältige Landschaften, weshalb sie besonders von Lichtverschmutzung betroffen sind. Sie werden, ähnlich wie Insekten, von Licht in der Nacht angezogen und können bei starkem Licht von Zugwegen abkommen oder kreisen um Lichtkegel. Die Folge sind oftmals Kollisionen mit Scheiben oder Gebäuden. Diese enden für viele Vögel tödlich, wie Ehrenamtliche aus Deutschland mithilfe der Vogelwarte für den «Post Tower» in Bonn nachgewiesen haben.

Viele gefährliche Aspekte der Lichtverschmutzung konnten noch nicht geklärt werden, unter anderem weil Vögel während des Nachtzugs nur schwer zu beobachten sind. Es ist zum Beispiel kaum bekannt, wie stark und über welche Reichweiten Lichtverschmutzung Vogelzugströme beeinflusst. Sind hier vor allem Stadtgebiete betroffen, oder fliegen Vögel auch über weitere Strecken dem Lichtschein entgegen? Ebenso ist unklar, wieviel zusätzliche Zeit Vögel auf ihrem Zug benötigen, wenn sie um Lichtquellen kreisen oder Umwege fliegen müssen. Umstritten sind auch die Tageszeiten mit besonders hohem Risiko und die genauen Umweltbedingungen, bei denen mit hohen Vogeldichten während der Zugphasen gerechnet werden kann. Und schliesslich ist es wichtig zu wissen, welche Eigenschaften des Lichts hohe oder nur geringe Störungen erzeugen.

Neue Projekte zur Lichtverschmutzung

Das Ressort Vogelzugforschung der Vogelwarte hat zur Klärung der Wissenslücken neue Forschungsprojekte zur Thematik gestartet. Dabei greifen wir auf die seit Jahrzehnten etablierte Expertise der Vogelwarte in der Nutzung von Radartechnik zurück. Mittels Radar kann der ansonsten weitgehend unsichtbare Nachtzug in Höhen von über 1000 m über dem Boden sichtbar gemacht werden. Die von der Vogelwarte mitentwickelten «BirdScan»-Radargeräte messen während der Zugphasen rund um die Uhr Echos, die mit hoher Wahrscheinlichkeit Vögeln zuzuordnen sind. Aus den Echos können wir Anzahl, Höhe und Richtung überfliegender Vögel errechnen und ihre Fluggeschwindigkeit abschätzen. So können wir während einer Zugperiode die Bewegungen von Tausenden Vögeln untersuchen.

Neuerdings nutzen wir die «BirdScan»-Radargeräte, um den Einfluss von Lichtverschmutzung auf Zugbewegungen zu messen. Dazu wollen wir nachts erleuchtete Gebiete mit dunklen vergleichen, um den Vogelzug in Zusammenhang zu lokaler Lichtverschmutzung zu setzen. Die Küste der kroatischen Adria ist dafür eine besonders geeignete Region. Während des Frühjahrszugs fliegen Zugvögel über die dunkle Adria die Küste an, die in Kroatien sehr unterschiedlich hell beleuchtet ist. Viele Gegenden sind nachts noch weitgehend dunkel, während vor allem städtische Gebiete deutlich lichtverschmutzt sind. Dieser starke Hell-Dunkel-Kontrast macht die Küstenregion ideal, um die Grundlagen der Reaktion von Zugvögeln auf Lichtverschmutzung zu erforschen.

Für den Frühjahrszug 2023 installierten wir dort mithilfe unserer kroatischen Projektpartner erstmals BirdScans. Jeweils an einem hellen und einem benachbarten dunklen Standort in Istrien und Dalmatien zeichneten die BirdScans den Frühjahrszug auf. Die automatische Registrierung ist mittlerweile abgeschlossen, doch die eigentliche Hauptarbeit steht erst an: Anhand der Echodaten werden wir nun errechnen, inwiefern sich der Zug zwischen hellen und dunklen Standorten unterscheidet. Wir erwarten, dass die Vögel bei Lichtverschmutzung weniger gerichtet und langsamer fliegen, und vielleicht ihre Zughöhe variieren. Wenn das Licht die Vögel im Anflug auf die Küste anzieht, sollten auch mehr Vögel über den Städten registriert werden. Flankiert werden unsere Aufzeichnungen von akustischen Aufnahmen, anhand deren einige Arten identifiziert werden könnten. Ausserdem können wir so auch testen, ob Vögel über Städten mehr rufen. Schliesslich sammeln wir auch Daten von Wetterradargeräten, um Flugmuster auf grösserer Skala untersuchen zu können. Die Analysen sind Teil einer Doktorarbeit in Zusammenarbeit mit dem geographischen Institut der Universität Zürich.

Nach Abschluss dieser ersten Projektphase hoffen wir, in Kroatien gezielt mit Lichteigenschaften experimentieren zu können, um herauszufinden, wie sich Auswirkungen auf die Zugvögel abmildern lassen. Langfristig könnten die von uns etablierten Methoden auch in der Schweiz angewandt werden, und beispielsweise Zugbewegungen über Städten mit Vogelzug über umgebenden dunkleren Regionen verglichen werden.

Schon jetzt dem Problem entgegenarbeiten

Während wir durch Forschung ermitteln, welches Licht Zugvögel besonders beeinträchtigt, ist es wichtig, Lichtverschmutzung bereits jetzt soweit wie möglich entgegenzuwirken. Die beste unter allen Lösungen ist eine weitgehende Reduktion. Empfehlungen zur Reduktion von Verschmutzung durch künstliche Lichtquellen sind bereits jetzt insbesondere im Kapitel 5 der neuen Broschüre «Vogelfreundliches Bauen mit Glas und Licht» nachzulesen, die unter der Federführung der Vogelwarte entstanden ist.