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© Schweizerische Vogelwarte

Zwei der Superfledermaus-Radargeräte werden nach einer halbjährigen Reise in der mauretanischen Wüste bei Ouadâne abgeladen.

News - Hintergrund

Vogelzugforschung an der Vogelwarte

August 2024

Die Schweizerische Vogelwarte blickt auf eine bewegte Geschichte in den vergangenen 100 Jahren zurück. Zu ihrem Jubiläum wurde dies in der kurzweiligen Chronik «100 Jahre Schweizerische Vogelwarte Sempach» festgehalten.

Den Vogelzug zu erforschen, war eines der Hauptziele der neu gegründeten Vogelwarte. Dazu brauchte die Schweiz dringend eine professionelle Zentrale für die Organisation der Beringung. Damals gab es in der Schweiz keine Tradition des Vogelfangs (mehr). Für Vögel ungefährliche Fangmethoden mussten deshalb neu erarbeitet werden. 1955 sah Alfred Schifferli in der Zeitschrift «Bird Banding» ein Bild neuartiger, dünner Nylonnetze, die in den Vereinigten Staaten verwendet wurden. Anfänglich war die Skepsis gross, ob diese sogenannten Japannetze überhaupt für den Vogelfang geeignet wären. Das erste wurde zur Besichtigung am damaligen Sitz der Vogelwarte im Rathaus von Sempach aufgehängt. Der Zufall wollte es, dass der Postbote eine Schachtel mit einer leicht verletzten Amsel brachte. Sie entwischte und verfing sich prompt im Netz. Bald machte Alfred Schifferli die Japannetze in den übrigen Ländern Europas bekannt. Deren Einsatz sowie die Einrichtung der Fangstation auf dem Col de Bretolet in den Walliser Alpen führten zu einem Anstieg der Zahl beringter Vögel in der Schweiz.

Die Finderinnen und Finder von Vogelringen erhielten eine Postkarte, auf der ab einer gewissen Distanz der Beringungs- und Fundort von Hand auf einem Kärtchen eingetragen war. Manchmal zeigten die Finder ihre Freude über eine Rückmeldung auf ungewöhnliche Weise, so etwa ein Algerier, der als Dank ein Kistchen mit frischen Datteln nach Sempach schickte. Oder ein Mann aus Westafrika, der einen beringten Schwarzmilan abgeschossen hatte und mitteilte, dass er nun umso mehr Greifvögel schiessen werde.

Schon 1931 wurde die Vogelberingung durch die Eidgenössische Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei einheitlich geregelt, indem die «Bewilligung zum Fange von Vögeln behufs Beringung, sowie das Aufsuchen der Nester zum gleichen Zwecke an die Bedingung geknüpft sei, dass die Ringe von der Schweiz. Vogelwarte Sempach bezogen werden müssen». Damit wurde die Vogelwarte im Auftrag des Bundes für die Organisation der Markierung wildlebender Vögel zuständig. Sie ist das heute noch und erhält dafür auch eine Vergütung. In der Schweiz sind nur Ringe der Vogelwarte zugelassen. 1933 waren bereits über 100 Beringer tätig. Für ihre Weiterbildung veranstaltete die Vogelwarte 1934 die erste Beringertagung. 530 Teilnehmende kamen nach Sempach. Beringertagungen wurden dann ab 1937 praktisch jährlich durchgeführt. 1978 wurde sie zur Mitarbeitertagung aller Freiwilligen der Vogelwarte erweitert.

Anfänglich waren die drängendsten Fragen, wann und wohin die verschiedenen Arten ziehen, und unter welchen Bedingungen die Vögel die Alpen überqueren. Allein mit Beobachtungen und Beringung war diesen Fragen aber nicht beizukommen. Einer Revolution kam es gleich als Schweizer Ornithologen entdeckten, dass sich der Vogelzug mit Radargeräten beobachten lässt. Nun waren plötzlich auch der Zug in der Nacht und in grosser Höhe sichtbar. Die Vogelwarte war führend im Einsatz von Radargeräten und hat über Jahrzehnte erforscht, wie Vögel die grössten Hindernisse auf ihrem Weg vom Brutgebiet ins Winterquartier und zurück − Alpen, Mittelmeer und Sahara – überwinden.

Um mit der neusten Technik des Zielfolgeradars den Vogelzug zu untersuchen, nahm der Vogelwarte-Mitarbeitende Bruno Bruderer Kontakt mit einem Rüstungsunternehmen auf. Diese stellte ihm ab Frühling 1968 ein Zielfolgeradar des Typs «Superfledermaus » zur Verfügung, obwohl das Gerät noch der militärischen Geheimhaltung unterstand. Ab 1971 erhielt die Vogelwarte Zielfolgeradargeräte leihweise von der Armee. Anfang der 1990er-Jahre musterte die Armee die Superfledermaus aus und schenkte der Vogelwarte fünf Geräte plus Ersatzmaterial.

Im Jahr 2000 kam ein langgehegter Wunsch neu auf: Die Erforschung des Vogelzugs über die Sahara hinweg. Bruno Bruderer entschied sich, «unsere » Zugvögel zu untersuchen, die fast alle über den westlichen Teil der Sahara fliegen. Mauretanien bot damals stabile politische Verhältnisse, und Luc Hoffmann, der sich für den Schutz des Wattenmeers Banc d’Arguin an der mauretanischen Küste eingesetzt hatte, kannte den Präsidenten des Landes persönlich. Doch wie soll man ohne lokale Kenntnisse ein solches Grossprojekt in einem unbekannten Land durchführen? Glücklicherweise konnte Volkart Leffler engagiert werden. Als frisch pensionierter Leiter des Büros der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit in Mauretanien hatte er profunde Kenntnisse der dortigen Verhältnisse. Er kannte viele Leute, die ihn «le colonel » nannten, er wusste, wie hoch die Löhne für Fahrer, Köche und Helfer der unterschiedlichen Ethnien waren, wie mit den lokalen Behörden umzugehen war, was wie viel kostete und wie teuer ein von einem Vogelwarte- Mitarbeiter mit dem Auto angefahrenes Dromedar zu stehen kam.

Mehr als 30 Tonnen Material wurden bereitgestellt und im Dezember 2002 über Antwerpen nach Mauretanien verschifft: zwei Schiffscontainer mit Material, vier Superfledermäuse, zwei Unimog-Lastwagen, ein kleiner Lastwagen mit einem mobilen Radargerät und vier wüstentaugliche Autos, Stromgeneratoren, Registrieranlagen und vieles mehr. Gross war der Schock, als in Mauretanien die Container in Empfang genommen wurden: Diebe hatten sie schon in Antwerpen geöffnet und wertvolles Material entwendet. Was ersetzt werden konnte, wurde ersetzt, doch bei der fehlenden zweiten Radar- Registrieranlage war dies innert nützlicher Frist unmöglich. So wurde beschlossen, den Frühlingszug 2003 mit nur einem Radar zu beobachten. Dank der Versicherungsgelder konnte eine zweite Frühlingssaison angehängt werden. So kam doch noch ein umfassendes Bild des Vogelzugs über die Sahara zustande.

Forschen

Vogelzug

Wir erforschen Zugvögel vom Brutgebiet bis nach Afrika und schaffen Grundlagen für ihren Schutz über Landesgrenzen hinweg.

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