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© Daniele Occhiato

In strukturreichen und vielfältigen Lebensräumen findet der Steinkauz viel Nahrung. Die Überlebenswahrscheinlichkeit seiner Nachkommen im Nest und nach dem Ausfliegen ist hier daher deutlich höher als in nahrungsarmen Gegenden.

News - Hintergrund

Das verzwickte erste Jahr

Dezember 2024

Die Zeit vom Ausfliegen bis zur Ansiedlung an einem ersten Brutplatz ist eine der am wenigsten
bekannten Phasen im Leben von Vögeln. Ein Besenderungsprojekt der Schweizerischen Vogelwarte
erlaubt nun neue Einsichten in das erste Lebensjahr junger Steinkäuze.

Die Steinkauz-Population im badenwürttembergischen Landkreis Ludwigsburg wuchs in den vergangenen 35 Jahren von rund acht Brutpaaren auf über 300. In einer Zusammenarbeit zwischen Schweizerischer Vogelwarte und der dafür verantwortlichen Forschungsgemeinschaft zur Erhaltung einheimischer Eulen (FOGE) wurden dort rund 300 junge Steinkäuze mit Sendern versehen, um deren Schicksal zu verfolgen.

Nach dem Ausfliegen wird es gefährlich

Die Auswertung der Daten hat ergeben, dass die Sterberate kurz nach dem Ausfliegen besonders hoch ist und dies somit die kritischste Zeit für das Überleben der Käuze ist. Eine entscheidende Rolle spielt der Lebensraum: War ausreichend Nahrung verfügbar, überlebten 65 Prozent der Jungkäuze die ersten drei Monate, bei schlechter Nahrungsverfügbarkeit waren es nur noch 45 Prozent. Die Winterverhältnisse nach der Abwanderung waren mindestens so entscheidend für das Überleben im ersten Jahr. Während in milden Wintern die Überlebensrate 73 Prozent betrug, führten harte Winter mit langandauernder Schneedecke zu Überlebensraten von nur noch 48 Prozent, einer ähnlich hohen Sterblichkeit also wie in der Zeit kurz nach dem Ausfliegen. Insgesamt überlebten je nach Nahrungssituation während der Brutzeit und Winterhärte nur zwischen 12 und 23 Prozent der jungen Käuze bis zur ersten Brut im nächsten Jahr.

Abwanderung ins Unbekannte

Junge Steinkäuze verlassen das elterliche Revier im Alter von gut 100 Tagen zwischen Ende August und Anfang Oktober. In suboptimalen Lebensräumen geschieht dies früher als in guten Lebensräumen, höchstwahrscheinlich weil die Nahrungsgrundlagen früher knapp werden. Eine weitere interessante Erkenntnis: Entgegen der Vorstellung, dass junge Vögel lange herumstreifen, bevor sie sich niederlassen, sind die eigentlichen Abwanderungsphasen bei Steinkäuzen sehr kurz. Im Durchschnitt dauern sie nur rund vier Tage. Viele Jungvögel siedeln sich nach einer oder zwei Abwanderungsphasen nur wenige Kilometer vom elterlichen Revier entfernt wieder an. Andere überwinden in ein paar wenigen Nächten grosse Distanzen von 20–70 Kilometern bevor sie sich in einer neuen Region ansiedeln. Während es im Frühling während der Balz noch zu kleineren Ortsverschiebungen kommen kann, verbringen sie die kalte Jahreszeit in den Revieren, die sie nach der kurzen Abwanderung besiedeln. Auch wenn die Wanderungen kurz sind, verlassen viele Jungvögel dabei die Population, in der sie aufgewachsen sind.

Mondsüchtig

Für nachtaktive Tiere macht die Mondphase, also ob etwa Voll- oder Neumond ist, einen wichtigen Teil ihrer Umwelt aus, da sich die Sichtverhältnisse durch den Mond stark verändern. Tiere, die sich vor allem auf ihre Augen verlassen, sind deshalb in hellen Nächten aktiver. Jene die sich auf andere Sinnesorgane abstützen, wie etwa Fledermäuse oder viele Nagetiere, sind dagegen weniger aktiv. Steinkäuze haben das hochentwickelte Gehör mit asymmetrischen Ohren verloren, wie es etwa bei Schleiereulen vorhanden ist, und verlassen sich stärker auf die Augen als andere Eulen. So erstaunt es nicht, dass sich junge Steinkäuze beim Abzug aus dem elterlichen Revier auch nach dem Vollmond richten. Die Auswertungen zeigten, dass sich ein Grossteil der Jungkäuze um den letzten August- Vollmond oder den ersten September- Vollmond auf die Wanderschaft macht, und zwar besonders dann, wenn keine Bewölkung den Vollmond verdunkelt.

Der Vollmond bringt Vorteile und Gefahren

Die Abstimmung der Abwanderung auf den Mondzyklus hat klare Konsequenzen für die Jungvögel. Junge, die das elterliche Revier um den Vollmond herum verliessen, siedelten sich weiter vom elterlichen Revier entfernt an. Vollmond-Wanderer hatten im Frühling nach der Abwanderung auch einen deutlich grösseren Bruterfolg als Neumond-Wanderer. Bei einer Abwanderung um den Vollmond können die jungen Steinkäuze also die besseren Lichtverhältnisse nutzen, um geeignetere Brutreviere zu finden, während sie sich bei einer Abwanderung um den Neumond die Lebensräume schlechter beurteilen können und sich deshalb mit weniger guten Lebensräumen zufriedengeben müssen. Die Forschenden gingen auch der Frage nach, ob eine verbesserte Sicht auch eine Hilfe beim Vermeiden von Gefahren ist. Dies hat sich nicht bestätigt: Bei Vollmond-Wanderern war die Sterblichkeit grösser als bei Neumond-Wanderern. Das Abwandern bei Vollmond birgt demnach höhere Risiken. Nicht nur Steinkäuze, sondern auch ihre Fressfeinde sehen bei Vollmond besser. Wenn aber die Vollmond- Wanderer unter den Jungkäuzen überleben, haben sie einen Vorteil in Form von höherem Bruterfolg.

Die Herausforderungen des ersten Jahres

Während die adulten Steinkäuze jahrein jahraus im gleichen Revier bleiben, erleben die Jungvögel also ein bewegtes erstes Jahr. Dabei gibt es vier grosse Hürden zu nehmen: Kurz nach dem Ausfliegen müssen sie mit den neuen Gefahren ausserhalb der Bruthöhle zurechtkommen. Sobald sie diese beherrschen, müssen sie den richtigen Zeitpunkt für den Absprung von zuhause schaffen, um ein gutes Brutrevier zu finden. Wenn sie dann endlich ein geeignetes Brutrevier gefunden haben, kann ihnen noch ein schneereiches Winterwetter einen üblen Streich spielen. Schliesslich müssen sie nicht nur ein Revier, sondern auch einen Partner finden, was nur rund 80 % der Jungvögel gelingt.

Im Beitrag erwähnte Vogelarten

Vogelarten
Steinkauz
Der Steinkauz hat bei uns seit Jahrhunderten in unmittelbarer Nachbarschaft des Menschen gelebt, oft als Untermieter in Scheunen und Ruinen. In der bäuerlichen Bevölkerung galt er mit seinen mysteriösen nächtlichen Rufen als «Totenvogel», bei den alten Griechen war er das Sinnbild der Göttin Athe...
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