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© Michael Lanz

Die alten Eichen und Buchen im Bärletwald prägen den Längholzwald. In den grossen, totholzreichen Kronen finden der Hornissenbock und weitere seltene Käfer geeigneten Lebensraum.

News - Hintergrund

Ein Eldorado für Alt- und Totholzarten

August 2023

Der Bärletwald, der älteste Eichenwald im Kanton Bern, ist ein Hotspot der Artenvielfalt. Die Vogelwarte und die Gemeinde Brügg engagieren sich in den kommenden 25 Jahren für den Erhalt dieses Waldjuwels mit seinen seltenen Arten.

Gelb-schwarze Färbung und lange Fühler machen den Hornissenbock (Plagionotus detritus) unverwechselbar. Der Bockkäfer ist auf alte Eichen mit besonntem Alt- und Totholz in der Baumkrone angewiesen. In der Schweiz sind Wälder mit solchen Bäumen eine Seltenheit. Doch in den Gemeinden Brügg und Biel/ Bienne befindet sich einer davon, der Bärletwald. Er ist Teil des grösseren Waldkomplexes Längholzwald und beherbergt auf einer Fläche von rund sechs Hektaren den ältesten Eichenwaldbestand im Kanton Bern. Auf rund 300 Jahre werden die ältesten Eichen im beliebten Erholungswald geschätzt. Die Käferexpertin Lea Kamber fand den Hornissenbock 2022 auf einer der alten Eichen. Eine echte Sensation, denn es ist der erste Nachweis dieser stark gefährdeten Art zwischen Lausanne und Zürich seit 1888!

Diese Erfolgsgeschichte wäre jedoch beinahe einem Holzschlag zum Opfer gefallen: Bei einem Herbststurm im November 2020 war ein grosser Seitenast einer Eiche auf eine dem Wald angrenzende Strasse gefallen. Dies rief die Gemeinde Brügg und den Staatsforstbetrieb Bern als Waldeigentümer auf den Plan. Die Gemeinde Brügg sperrte daraufhin aus Sicherheitsgründen verschiedene Wege im Bärletwald ab, und der Staatsforstbetrieb zeichnete rund 90 Bäume, darunter zahlreiche alte Eichen und Buchen, zum Fällen an. Von der Bevölkerung, von lokalen Naturschutzorganisationen und vom Gemeinderat Brügg gab es aber grossen Widerstand gegen den geplanten Eingriff. So wurden unter Einbezug von Fachpersonen, darunter Michael Lanz von der Vogelwarte, Massnahmen diskutiert, um die alten Bäume zu erhalten und gleichzeitig die Sicherheit zu gewährleisten. Die Lösung war, dass die Bäume durch einen Forstingenieur auf ihren Zustand und auf biologische Werte begutachtet wurden und dass die Gemeinde Brügg den Wald dem Staatsforstbetrieb abkaufte. Dies ermöglichte baumpflegerische Eingriffe in den Jahren 2021 und 2022. Der geplante Holzschlag konnte so verhindert werden.

Dies war eine ausgezeichnete Ausganglage für ein gemeinsames Projekt der Gemeinde Brügg und der Vogelwarte im Rahmen des Projekts «Aufschwung für die Vogelwelt ». Ziele sind der langfristige Erhalt des Bärletwaldes und der alten Eichen sowie Massnahmen zur Förderung der Biodiversität im gesamten Längholzwald. Die Partner finanzieren gemeinsam ein Förderkonzept und die Realisierung von verschiedenen Aufwertungsmassnahmen sowie eine Erfolgskontrolle. Eine wichtige Grundlage für das Projekt sind die Erhebungen von verschiedenen Artengruppen, welche im Rahmen des Projekts in den letzten zwei Jahren initiiert wurden. Neben dem Hornissenbock konnten weitere sehr seltene und hochspezialisierte Arten nachgewiesen werden. Darunter sind auch zwei stark gefährdete Flechten, die Rötliche Goldzitzenflechte (Thelopsis rubella) und der Lichtscheue Schönfleck (Caloplaca lucifuga). Bei Fledermauserhebungen 2021 wurden 10 Arten festgestellt, darunter die Waldzielart Bechsteinfledermaus. Auch ornithologisch sind die alten Eichen wertvoll: Neben dem Mittelspecht brüten vier weitere Spechtarten im Bärletwald.

Als erste Massnahme zur Sicherung wird der Alteichenbestand als Altholzinsel ausgeschieden. Die Totholzkäfer benötigen ein breites Blütenangebot, deshalb ist für Herbst 2023 eine Waldrandaufwertung mit der Pflanzung von blütenreichen Sträuchern und einem Krautsaum geplant. Damit die Zielarten ihr Verbreitungsgebiet auf den gesamten Längholzwald ausdehnen können, sollen in den kommenden Jahren Habitatbäume bezeichnet und wo möglich weitere Altholzinseln geschaffen werden.

Das Projekt ist mittlerweile weit über die Region Bern bekannt und Michael Lanz wurde für sein Engagement zur Erhaltung und Förderung der Eiche 2022 vom Verein ProQuercus ausgezeichnet.