Auch legte Alfred Schifferli schon damals Wert auf ein Zusammenspiel von Forschung und Umsetzung sowie die Zusammenarbeit mit anderen Akteuren: «Erkenntnisse aus der Vogelzugforschung, der Faunistik und der Ökologie sowie das Wissen um im Ausland erzielte Ergebnisse müssen zum Lösen von Problemen der angewandten Ornithologie herangezogen werden können. Zudem ist ein enger Kontakt mit landwirtschaftlichen, jagdlichen, vogel- und naturschützerischen Kreisen notwendig. Es ist deshalb sehr zu begrüssen, wenn die angewandte Ornithologie, wie sie jetzt auf der Vogelwarte Sempach als neues Ressort geschaffen wurde, unter demselben Dach mit der wissenschaftlichen Forschung in enger Zusammenarbeit sich ihrer Aufgaben widmen kann.»
Die Vogelschutztätigkeiten folgten einer Mischung aus konzeptionell geleiteter Arbeit, Ergreifen von Opportunitäten und Reaktionen auf politische oder gesellschaftliche Bedürfnisse. Bis in die 1960er-Jahre war der Schutz von Feuchtgebieten prioritär. Als die Bestände der Vögel im Landwirtschaftsgebiet stark abnahmen, wurde diese Problematik zu einem Schwerpunkt und ist es bis heute.
Die Vogelwarte hat sich immer davon leiten lassen, als Fachinstitut mit wissenschaftlichen Grundlagen in einen Dialog mit den verschiedenen Akteuren zu treten. Wenn immer möglich hat sie die Erfolge oder Misserfolge in ihren Projekten mit Umsetzungs- und Wirkungskontrollen überprüft, obwohl dies im Rahmen von Auftragsprojekten oft nicht vorgesehen war und auch nicht finanziert wurde. Je nach Vogelart waren die Ausgangslage, das Vorgehen und auch der Erfolg ganz unterschiedlich. Bei manchen Arten wurden Fördermassnahmen ergriffen, die mit den vorhandenen Kenntnissen erfolgreich waren, z. B. beim Turmfalken. Bei anderen Arten war das Wissen über ihre Ökologie zu Beginn unzureichend, etwa beim Ziegenmelker, und der Erfolg stellte sich erst ein, als die Forschung aufholte, zum Beispiel beim Auerhuhn. Bei wieder anderen Arten, wie dem Waldlaubsänger, wurden zuerst die ökologischen Ansprüche erforscht, bevor man sich an Schutzmassnahmen wagte, oder sie wurden, wie beim Kiebitz, durch parallele Forschung laufend verbessert. Oft ging es darum, wie beispielweise beim Braunkehlchen, mit dem vorhandenen ökologischen Wissen entwickelte Fördermassnahmen im Freiland auf ihre Praxistauglichkeit zu testen.
Die Vogelwarte ist sowohl der Vogelkunde als auch dem Vogelschutz verpflichtet, und somit sind ihre Fördermassnahmen fachlich abgestützt. In vielen Fällen beruhen sie auf eigenen Forschungsergebnissen. So wird die viel beklagte Kluft zwischen wissenschaftlichen Erkenntnissen und ihrer Anwendung in der Praxis überwunden.