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© newTree/tiipaalga

Eine «mise en défens» (MED) aus der Zugvogelsicht. In der MED hat es deutlich mehr Pflanzen als ausserhalb, wovon sowohl die Vögel als auch die Bevölkerung profitieren.

News - Hintergrund

Inseln der Hoffnung im Sahel

April 2025

Im Rahmen ihres internationalen Engagements für den Schutz von Zugvögeln arbeitet die Schweizerische Vogelwarte seit mehreren Jahren eng mit der internationalen Organisation newTree mit Sitz in der Schweiz und ihrer Partnerorganisation tiipaalga in Burkina Faso zusammen. Von den Lebensraumaufwertungen profitieren Vögel und Menschen gleichermassen.

Beide Organisationen verfolgen einen ganzheitlichen Ansatz zur Wiederherstellung von degradiertem Land, um die Lebensbedingungen der lokalen Bevölkerung in den Trockengebieten Burkina Fasos nachhaltig zu verbessern. Die Früchte unserer Zusammenarbeit sind hochwertige Lebensräume in der Baumsavanne, wovon sowohl die lokale Natur- und Vogelwelt als auch Zugvögel aus Europa wie Nachtigall und Gartenrotschwanz profitieren.

Qualitativ hochwertige Lebensräume in allen Jahreszeiten

Viele in der Schweiz brütende Zugvögel ziehen über das Mittelmeer und die Sahara, um den grossen Teil ihres Lebens in der Sahelzone und den Savannen Westafrikas zu verbringen. Diese Langstreckenzieher sind also auf gute Lebensräume in ihren Brutgebieten, entlang ihrer Zugrouten und in ihren Winterquartieren angewiesen. Der hohe Anteil bedrohter Arten bei den Langstreckenziehern zeigt aber, dass hier dringender Handlungsbedarf besteht.

Deshalb ist es entscheidend, dass sie auch in Afrika Lebensräume von hoher Quailtät und mit reichem Nahrungsangebot vorfinden. Leider stehen diese Regionen vor grossen ökologischen Herausforderungen: Die kombinierten Auswirkungen des globalen Klimawandels, wie Dürren und extreme Wetterereignisse, sowie der zunehmende Druck durch menschliche Aktivitäten, wie wachsende Viehbestände und zunehmende Brennholzentnahme, sind Hauptursachen für die Landdegradation und Wüstenbildung. Dies hat verheerende Auswirkungen auf die biologische Vielfalt, das Funktionieren der Ökosysteme und schlussendlich auch auf die Lebensbedingungen der lokalen Bevölkerung.

Die Organisationen newTree und tiipaalga

Die beiden Organisationen newTree (www.newtree.org) und tiipaalga (www.tiipaalga.org) setzen sich vor diesem Hintergrund mit einem ganzheitlichen Ansatz für die Wiederherstellung übernutzter Flächen in Burkina Faso ein. Eines ihrer Vorzeigeprojekte ist die unterstützte natürliche Regeneration durch die Methode der «mise en défens » (MED). Das Prinzip besteht darin, eine degradierte Fläche von etwa drei Hektar einzuzäunen, um die Vegetation vor der Beweidung durch Rinder, Schafe und Ziegen zu schützen und sie sich auf natürliche Weise regenerieren zu lassen. Diese Arbeiten werden nach einem integrativen und partizipativen Ansatz durchgeführt. Eigentumsrechte werden respektiert und die MED werden von Bauernfamilien oder Frauenkooperativen, den sogenannten Partnern, selbst erstellt und verwaltet. In den letzten zwanzig Jahren wurden landesweit über 400 solcher MED errichtet, und die Nachfrage ist so gross, dass newTree und tiipaalga die Bewerber sorgfältig auswählen müssen.

Eine verstärkte und langfristige Zusammenarbeit

Um die Verbindungen zwischen der Schweizerischen Vogelwarte und den Organisationen newTree und tiipaalga zu stärken, haben wir ein Forschungsprojekt lanciert, um besser zu verstehen, welche Auswirkungen die MED auf die Biodiversität, insbesondere Zugvögel haben. Unsere Studien zeigen, dass sich die MED innerhalb weniger Jahre zu grünen Inseln mit einer hohen lokalen Pflanzenvielfalt in einer übernutzten Landschaft entwickeln. Diese natürlich regenerierten Lebensräume kommen den Vögeln zugute. Das erhöhte Insektenangebot innerhalb einer MED unterstützt die Nahrungssuche von Zugvögeln wie Nachtigall, Fitis und Gartenrotschwanz, die so auch unerwünschte Insekten vertilgen. Aber auch früchte- und nektarfressende Vogelarten profitieren vom erhöhten Nahrungsangebot und tragen zur Bestäubung und Samenverbreitung bei. Diese positiven Effekte auf die Vogelwelt nehmen besonders während der Trockenzeit zu, wenn die Nahrungsressourcen knapp sind. Die MED sind also ökologische Rückzugsgebiete für die Vögel, was deren Bedeutung für den Erhalt gesunder Vogelbestände unterstreicht.

Inseln der Hoffnung für die Bevölkerung der Sahelzone

Von den grünen Inseln profitieren nicht allein die Vögel. Dank der fachlichen Begleitung von newTree und tiipaalga nutzen die Bauernfamilien die natürlichen Ressourcen, die ihnen die MED bieten, auf nachhaltige Weise. Früchte, Nüsse und Heilpflanzen werden direkt in den Haushalten genutzt, die auch davon profitieren, dass die Böden wieder fruchtbarer geworden sind und die Ernten besser ausfallen. Zudem erhalten die Bauernfamilien mit Unterstützung von tiipaalga das Wissen und die Fähigkeiten, um die Ressourcen gezielt für einkommensschaffende Aktivitäten zu nutzen. Beispiele sind die Verarbeitung von Kariténüssen (Vitellaria paradoxa) zu Sheabutter oder die Entwicklung der Bienenzucht zur Produktion von lokalem Honig, beides Produkte mit hoher Wertschöpfung. Die MED fördern auch das Wachstum der Grasvegetation und garantieren so genügend Heu während der Trockenzeit für das Vieh.

Diese «Inseln der Hoffnung» liefern Ökosystemleistungen, welche schlussendlich in einer Verdoppelung des jährlichen Einkommens der Bauernfamilien resultieren. Unsere Untersuchungen zeigen, dass dies den Bauernfamilien ermöglicht, langfristig ihre Lebensgrundlage zu verbessern und gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der lokalen und globalen Biodiversität zu leisten.

Projekte

Im Beitrag erwähnte Vogelarten

Fitis
Nachtigall
Gartenrotschwanz