Die Situation der Brutvögel

2022 erlebte die Schweiz das wärmste und gebietsweise sonnenreichste Jahr seit Beginn der Messungen 1864. Hinzu kam ausgedehnte Trockenheit, insbesondere im Frühling und Sommer. Im Vorjahr 2021 zeichnete sich der Frühling durch eher nasskaltes Wetter aus, gefolgt von einem regenreichen und zeitweise kühlen Sommer mit überdurchschnittlich viel Hagel im Juni und Juli. Viele Arten zeigten 2022 tiefere Bestände als 2021, oder sie setzten ihre positiven Trends aus den Vorjahren nicht fort.

Dank der Entdeckung von Kolonien in Brig VS und Genf ist der dokumentierte Brutbestand des Fahlseglers von 25 Paaren im Vorjahr auf 65 Paare im Jahr 2022 angestiegen.
Dank der Entdeckung von Kolonien in Brig VS und Genf ist der dokumentierte Brutbestand des Fahlseglers von 25 Paaren im Vorjahr auf 65 Paare im Jahr 2022 angestiegen.
Foto © Daniele Occhiato

Foto © Schweizerische Vogelwarte
Bei vielen schilfbrütenden Arten wie dem Teichrohrsänger (Foto) war der Brutbestand 2022 niedriger als 2021. Dazu haben möglicherweise die massiven Regenfälle und lokalen Hagelunwetter gegen Ende der Brutzeit 2021 beigetragen.
Bei vielen schilfbrütenden Arten wie dem Teichrohrsänger (Foto) war der Brutbestand 2022 niedriger als 2021. Dazu haben möglicherweise die massiven Regenfälle und lokalen Hagelunwetter gegen Ende der Brutzeit 2021 beigetragen.
Foto © Mathias Schäf
Seit Beginn der Aufnahmen für das «Monitoring Häufige Brutvögel» (MHB) im Jahr 1999 sind die Brutbestände von Braunkehlchen und Feldlerche gesamtschweizerisch klar rückläufig. Zwar zeigen die Bestände auf MHB-Flächen oberhalb 1500 m ü.M. in den letzten 10 Jahren eine positive Tendenz, in tieferen Lagen gehen sie aber zurück. Unterhalb 800 m ü.M. wurden im MHB kaum Braunkehlchen gefunden, daher kann für diese Höhenstufe kein Trend ausgewiesen werden.
Seit Beginn der Aufnahmen für das «Monitoring Häufige Brutvögel» (MHB) im Jahr 1999 sind die Brutbestände von Braunkehlchen und Feldlerche gesamtschweizerisch klar rückläufig. Zwar zeigen die Bestände auf MHB-Flächen oberhalb 1500 m ü.M. in den letzten 10 Jahren eine positive Tendenz, in tieferen Lagen gehen sie aber zurück. Unterhalb 800 m ü.M. wurden im MHB kaum Braunkehlchen gefunden, daher kann für diese Höhenstufe kein Trend ausgewiesen werden.
Foto © Schweizerische Vogelwarte

Uneinheitliche Entwicklungen im Vergleich zum Vorjahr

Bei auffällig vielen Offenbrütern zeigte der Trend im Jahr 2022 einen Knick nach unten. Beispielsweise wiesen fast alle Finken- und Ammernarten im Jahr 2022 tiefere Bestände als im Vorjahr auf. Eine Ausnahme machte dabei die Grauammer. 2022 brüteten Grauammern in verschiedenen, seit einigen Jahren verwaisten Orten. Der Unterschied bei der Bestandsentwicklung zwischen der Grauammer und anderen Offenbrütern legt nahe, dass viele der im Jahr 2022 erschienenen Grauammern aus ausländischen Populationen stammen. Dies hängt möglicherweise mit der Trockenheit zusammen, die in weiten Teilen des mediterranen Verbreitungsgebiets der Art noch viel ausgeprägter war als in der Schweiz.

Auffällig war auch, dass die Revierzahlen bei schilfbrütenden Arten 2022 praktisch durchs Band niedriger waren als 2021. Bei diesen Arten war das Brutgeschäft wohl in vielen Fällen noch nicht zu Ende, als die Schweiz im Juni und Juli 2021 von viel Regen und auch Hagel heimgesucht wurde. Zudem dürften auch die niedrigen Pegel im Frühling und Sommer 2022 zu den tiefen Zahlen beigetragen haben. Aus Studien ist bekannt, dass die Revierzahlen von Schilfbrütern und anderen Feuchtgebietsarten in Jahren mit tiefen Wasserständen niedriger sind.

Erfreuliche Trends

Seit mehreren Jahren zeigen Flussuferläufer und Flussregenpfeifer in einigen Gebieten positive Bestandstrends. Beide Arten profitieren von grossen Revitalisierungsprojekten an Flüssen. Der gewünschte Effekt stellt sich allerdings nur ein, wenn Störungen mithilfe eines Besucherlenkungskonzepts minimiert werden können.

Zwei weitere Arten scheinen davon zu profitieren, dass man ihnen in ihren Brutgebieten unter die Flügel greift: Sowohl Zwergohreule als auch Wendehals zeigten in den letzten Jahren deutliche Bestandsanstiege und verzeichneten 2022 die wohl höchsten Bestände seit vielen Jahren. Konstant positive Trends finden sich auch bei Misteldrossel, Mönchsgrasmücke und Elster. Da diese Arten schon früh im Jahr zu brüten beginnen, waren sie von den besonders schwierigen Bedingungen im Sommer 2021 wohl weniger betroffen. Während der Bestand der Elster stetig zunimmt, zeichnet sich bei der Rabenkrähe in den letzten 15 Jahren eine Plafonierung ab, die auf einen gesättigten Bestand hindeutet.

Negative Entwicklungen setzen sich fort

Verschiedene Arten zeigen seit längerem negative Trends und sind 2022 bei neuen Tiefstständen seit 1990 angelangt. Dazu gehört der Haubentaucher, bei dem vor allem die Rückgänge an bedeutenden Gewässern wie Neuenburger- und Sempachersee ins Gewicht fallen. Auch der Bestand der Turteltaube geht ungebremst zurück. Die Art hat mittlerweile viele ehemalige Brutgebiete geräumt. Ebenfalls eine deutlich negative Entwicklung zeigt der Zitronenzeisig. In der Literatur werden dafür verschiedene mögliche Gründe aufgeführt, darunter Effekte des Klimawandels im Brutgebiet und Winterquartier. Schliesslich ist auch der Bestand der Bachstelze auf einem Tiefststand seit Beginn des MHB angelangt.